Vorbereitung

1998 diskutieren wir erstmals über eine längere Segelreise. Ein Jahr später steht der Entschluss eine Auszeit vom Schuldienst zu nehmen fest. Wir wählen eine dreijährige Sabbatical – Variante, mit der Freistellung für das Schuljahr 2002/03.

Unser Segelkatamaran „Sleipnir2“, der zu diesem Zweck gekauft wurde, liegt seit September 2001 in Kroatien. Bis zum Sommer 2002 fahren wir mehrmals zum Schiff, um – teilweise mit tatkräftiger Unterstützung von Freunden – entsprechende Vorbereitungsarbeiten zu erledigen bzw. in Auftrag zu geben.

Mittelmeer – Kroatien bis Gibraltar: Juli – September 2002

 

Natürlich sind diese Arbeiten bei weitem nicht abgeschlossen, als wir Anfang Juli 2002 ablegen. Die ersten Wochen in der Adria sind durch weiterführende Tätigkeiten an jedem Liegeplatz und während der Fahrt geprägt.

Unseren ersten Sturm dieser Reise im Bereich 9 Beaufort erleben wir im Golf von Tarent. Lediglich unter 9 m2 Vorsegel können wir aber Kurs Crotone halten und erreichen den alten Hafen nach Einbruch der Dunkelheit. Kurz nach Crotone haben wir erstmals Probleme mit einem unserer Honda Außenbordmotoren. Verschiedenste Defekte an den beiden Motoren werden sorgenvolle Begleiter der gesamten Reise. Fairerweise darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass wir von anderen Gebrechen, wie sie für eine Fahrt dieser Art durchaus üblich sind, größtenteils verschont bleiben.

Palermo, an der Nordküste Siziliens, wird zwecks Motorencheck ein unfreiwilliger, viertägiger Zwangsstopp. Der Verkehrslärm und die Geruchsbelastung im alten Hafen sind durchaus beeindruckend.

Wir nützen die Zeit für weitere Arbeiten am Schiff, vor allem aber zum Bunkern von Lebensmitteln.

Ab Sizilien haben wir angenehme Überfahrten nach Sardinien und weiter nach Mallorca. Auf dem Schlag nach Ibiza kommen wir in ein schweres Gewitter, aber kurze Zeit später liegen wir bereits in einer wunderschönen, leider etwas ungeschützten Bucht im Südosten Formenteras. Diese ist uns von einem früheren Chartertörn bekannt und war ein erklärtes Etappenziel. Eine Änderung der Wetterlage zwingt uns einige Tage später in die – Langstreckenseglern wohlbekannte – Bucht von Espalmador und führt zu einer innigen Freundschaft, die bis heute besteht und ohne die unser Seglerleben vielleicht ein bisschen anders verlaufen wäre.

Die Seenomaden Doris und Wolf liegen hier mit ihrer „Nomad“ vor Anker. Gemeinsam brechen wir mit einigen anderen Schiffen am nächsten Tag Kurs Gibraltar auf. Am 7. September kommen wir an, sind erleichtert das Mittelmeer hinter uns zu haben und stürzen uns wie die meisten anderen Crews in die Vorbereitungen für die Atlantiketappen. Besonders zu dieser Jahreszeit ist Gibraltar der Treffpunkt der Fahrtensegler. Etliche kommen im Zuge ihrer Weltumsegelung durch das Rote Meer, andere sind wie wir aus dem Mittelmeer gestartet, aber fast alle wollen über den Atlantik.

Der allgemeine Aufbruch verschiebt sich durch eine ungewöhnlich lang anhaltende Südwestwindlage. Die Seglergemeinschaft rückt zusammen, viele interessante Freundschaften werden geschlossen.

Gibraltar bis Kap Verden : September – November 2002

Wir tauchen hier in eine faszinierende arabische Welt ein und spüren, dass unsere Reise jetzt richtig beginnt.

Der Vorschlag von Doris und Wolf, die Strecke zu den Kap Verden gemeinsam zu segeln, gibt uns ein sehr gutes Gefühl. Zusammen mit der Schweizer Yacht „Dione“ nehmen wir die Etappe nach Lanzerote in Angriff.

Daniela und Renes erklärtes Ziel ist die Karibik, um dort eine neue Existenz aufzubauen. Eine Rückkehr nach Europa ist nicht geplant.

Die ersten Tage sind ausgesprochen windarm und die Schiffe bleiben die meiste Zeit auf Sicht. Erst im zweiten Teil des Törns frischt der Wind auf.

Nach ca.5 Tagen knapp nach Mitternacht Ortszeit, bei der Anfahrt auf unseren Zielhafen Puerto de Marmoles, an der Südostküste Lanzerotes, können wir unsere Motoren nicht starten. Wir funken mit „Nomad“, aber bei ca. 25 Knoten Wind und entsprechendem Wellengang ist an Schlepphilfe am offenen Wasser nicht zu denken. Die bereits abgeschlagenen Segel müssen nochmals gesetzt werden, um aufzukreuzen und Höhe zu gewinnen. Anschließend  versuchen wir den Molenkopf der Hafeneinfahrt im Stil einer Regatta zu runden und mit einem Nahezuaufschießer möglichst weit in den Hafen zu kommen. Im ruhigeren Hafenwasser wartete „Nomad“ um eine Schleppleine überwerfen zu können. Nachdem hier einige kleinere Missgeschicke unerwähnt bleiben, liegt „Sleipnir2“ erst gegen 04.00 Ortszeit sicher vor Anker.

Als längerfristiges Ergebnis dieser Nacht bleibt für Wolfgang eine Entzündung, die ein Knie tennisballgroß anschwellen lässt. Die damit verbundene Unbeweglichkeit inklusive Spitalsbesuch drückt Wolfgangs Stimmung erheblich. Evis Arbeitseinsatz in diesen Tagen ist enorm. Sie verrichtet nicht nur die meisten Arbeiten am Schiff selbst, sondern ist beim Organisieren sämtlicher Lebensmittel hinsichtlich der bevorstehenden Atlantiküberquerung quasi auf sich allein gestellt. Zu allem Überfluss geht unser Beiboot kaputt, das fürs „Bunkern“ von Vorräten unerlässlich ist. Wolf weiß Rat für eine notdürftige Reparatur.

Eine Woche später brechen wir nach Teneriffa auf und feiern Evis Geburtstag 32 Stunden und 185 Seemeilen später in Los Christianos. Hier schließen wir auch unsere Besorgungen für den Schlag über den Atlantik ab. Wegen eines herannahenden Tiefs legen wir früher als geplant ab und nehmen Kurs Hierro. Hier im äußersten Südwesten der Kanarischen Inseln verbringen wir noch einen herrlichen Tag bei Ulli und Marlies, den Stützpunktleitern von Transocean, einer deutschen Organisation, die Seglern auf der ganzen Welt hilft. Danach nehmen wir endgültig Südkurs auf die Kap Verden und bekommen so nur Ausläufer des Tiefs zu spüren.

Wir erleben eine angenehme Woche mit gleichmäßigem, kräftigem  Passat im letzten Abschnitt der Überfahrt, außerdem wird der Menüplan auf „Sleipnir2“ immer wieder durch Erfolge an der Schleppangel ergänzt. Je näher wir dem Archipel kommen, umso häufiger wird unser Deck jetzt mit fliegenden Fischen garniert. Leider entzündet sich auf dieser Etappe durch die Entlastung des einen Knies nun auch Wolfis zweites Knie, sodass er ziemlich grantig – da bewegungseingeschränkt – ist.

Unser Ziel ist die Bucht vor Palmeira, auf der Insel Sal und wir gewöhnen uns an 30 Knoten Wind am Ankerplatz. Angesichts der schwachen Versorgungslage auf der Insel wird uns klar, wie wichtig die Hinweise waren, bereits auf den Kanaren sämtliche Vorbereitungen für die Atlantiküberquerung abzuschließen. Bei der Trinkwasserversorgung am einzigen Brunnen des Ortes ist ein Hauch von Imperialismus zu spüren: Die Besatzungen der vor Anker liegenden Schiffe reihen sich nicht in die lange Schlange der Wartenden…

Schlussendlich kommt der Tag, an dem es heißt, von Doris und Wolf Abschied zu nehmen. Das fällt uns nicht leicht, nachdem wir mitsammen über zwei Monate Boot an Boot gesegelt sind. Die „Nomad“ geht Anker auf und fährt ab Richtung Brasilien. Sie wird wenige Monate später, als eine von ganz wenigen österreichischen Yachten Kap Hoorn umrunden.

Wir bekommen lieben Besuch aus Wien. Kurt und Paul, die schon bei der Überstellung von „Sleipnir2“ behilflich waren, fliegen nach Sal um uns auf der Atlantiküberquerung zu begleiten.

Atlantiküberquerung (Passatroute): November 2002

In den Passagen mit leichterem Wind führen wir den Spinnaker, die meiste Zeit fahren wir aber eine asymmetrische Passatbesegelung mit einem kleineren, flachgeschnittenen Segel auf der Luvseite. Tägliches Arbeiten mit dem Sextanten führt allmählich zu einer annehmbaren Genauigkeit der Positionsbestimmung.

Körperpflege, das Backen von Brot und Kuchen, gelegentliche Fänge an der Schleppangel, sowie Evis Abhören der Wetterprognose von Radio France International bestimmen das Tagesritual.

Nachtwachen sind ein ständig wiederkehrendes Thema unter Langstreckenseglern – auf „Sleipnir2“ muss jedes Crewmitglied nur ein Mal pro Nacht für 3 Stunden Wache halten, was zu wenig Ermüdungserscheinungen bei uns allen führt.

Karibik : November 2002 – Mai 2003

Wir verabschieden uns von unseren Freunden, die zurück in die Heimat fliegen, und segeln nach knapp 2 Wochen Kurs südsüdwest einem Höhepunkt unsere Reise entgegen: Tobago.

In der Store Bay am Strand von Pigeon Point leben wir einen Monat ein unbeschwertes Seglerleben, wie es in der Vorstellung vieler Menschen existieren mag. Wir tauchen, schnorcheln, erkunden die Insel und bereiten vor allem jede Art von Fisch auf der „Sleipnir2“zu.

Leider geht unser Beiboot endgültig im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Leim. Die Crew eines benachbarten Bootes weiß Rat. In Trinidad besorgen wir eine Art Bauschaum, womit wir unser Beiboot ausfüllen. Zur Verarbeitung des 2 – Komponentenschaums bleibt kaum eine Minute Zeit und so gelingt die Übung nur halb. Das Dinghi wirkt eher zerknittert, ist aber dauerhaft fest. Nachdem es blau ist, nennen wir es von nun an „Viagra“.

Silvester feiern wir mit Yachties, die wir schon von Gibraltar kennen, und legen einige Tage später schweren Herzens ab.

Martinique – Guadeloupe :

Wir wollen  nach Martinique, in den Hafen von Le Marin, wo wir Besuch aus Wien erwarten. Mit unseren Freunden Beatrix und Harti verbringen wir  knapp drei Wochen, in denen wir segeln, tauchen und schnorcheln und gemeinsam viele entspannte Abende in Gesellschaft anderer Yachties erleben.

Mit den beiden fahren wir in kleinsten Etappen entlang der Küste Martiniques, weiter über Domenica, Les Saints bis Guadeloupe. Von hier treten Beatrix und Harti ihre Heimreise an – ein seltsam anmutender Abschied, der uns eine ungewohnte Nähe zur Heimat spüren lässt.

Die Anreise von Evis Vater und seiner Frau Henriette steht an. Die beiden wohnen aber nicht am Schiff, sondern im Hotel. Wir verbringen gut zwei Wochen zusammen auf Guadeloupe und erkunden mit ihnen die Insel. „Sleipnir2“ bleibt in der Marina von Pointe-à-Pitre, und es werden kleine Ausbesserungsarbeiten durchgeführt.

Kaum ist der technisch versierte Harti von Bord, rücken paradoxerweise unsere beiden Außenborder durch verschiedenste Defekte unliebsam in den Mittelpunkt des Interesses.

Grenadinen – St. Lucia :

Wir segeln den Antillenbogen nach Süden in die Grenadinen.

Die nächsten Wochen sind einerseits von nicht endend wollenden Problemen mit den beiden Honda – Motoren überschattet, andererseits sind sie von intensiven Kontakten mit faszinierenden und  vielschichtigen Menschen aus der Yachtszene geprägt. Unser Seglerleben zeichnet sich in dieser Zeit wahrhaftig durch Gegensätze aus.

Während wir die Tobago Cays wegen der unzuverlässigen Motoren nicht anlaufen können, warten wir in der traumhaften Kulisse der Salt Whistle Bay mehrere Tage auf einen Mechaniker, bis Wolfgang den Außenborder selbst repariert und ihn somit vollends außer Betrieb setzt.

In St. Lucia, am Ankerplatz vor den als Wahrzeichen geltenden Pitons (spitze Berge), reißt in den frühen Morgenstunden das Kunststofftau unserer Boje. Glück im Unglück: „Sleipnir2“ treibt mit seiner schlafenden Crew in das Karibische Meer und nicht auf die Felsen der Bucht.

Martinique – Guadeloupe – Antigua – Barbuda :

Ein andermal haben wir zwischen St. Lucia und Martinique eine Begegnung mit einem Buckelwal aus nächster Nähe und kaum zwei Stunden später treffen wir bei der Einfahrt in die Bucht von St. Anne die Schweizer Yacht „Dione“.

Mit Daniela und Rene waren wir zuletzt am Ankerplatz von Lanzerote zusammen. Tage wie diese entschädigen für vieles und sind mitverantwortlich für die Sucht nach dem Nomadenleben auf dem Wasser.

Der Schlag von Guadeloupe nach Antigua kann auch durch den, Guadeloupe in zwei Inseln trennenden Kanal, gestartet werden. Die enge, rechtwinkelige Einfahrt unter der Autobrücke bei entsprechender Strömung stellt unserer Ansicht nach höhere Anforderungen an den Rudergänger als in den entsprechenden Revierführern beschrieben – zumindest ist es für uns ein nervenaufreibender Drahtseilakt „Sleipnir2“ unbeschadet durch die Engstelle zu manövrieren. Es sollte zumindest die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass auch Katamarane den Weg durch dieses Nadelöhr wählen könnten.

Ungefähr zwei Wochen verbringen wir in Englisch Harbour und Falmouth Harbour im Süden Antiguas. Unser Aufenthalt auf der Insel fällt mit der Antigua Classic Sailing Week zusammen. Wir passen eigentlich  gar nicht in die Reede der superteuren Megayachten. Das Spektakel der auf Hochglanz polierten Einzelstücke ist ein Erlebnis der besonderen Art. Einige führen auf Grund einer Masthöhe von mehr als 50 Meter rote Topplichter!

Außerdem liegt der superschnelle Katamaran „Playstation“ (heute „Cheyenne“) in Falmouth Harbour vor Anker, der noch immer den Transatlantikrekord für Segelschiffe hält.

Nachdem wir uns in Jolly Harbour, an der Westküste von Antigua für unsere Atlantikrücküberquerung vorbereitet und versorgt haben (Riggcheck, Austausch der Vorstage, zusätzliche Verstagung nach achtern, umfangreiches Service der Motoren, Einbau einer Kurzwellenfunkanlage, Konstruktion eines Parachuteankers, etc…), setzten wir über zur Nachbarinsel Barbuda. Nach anspruchsvoller Passage der Riffs ankern wir im 2 Meter tiefen, kristallklaren Wasser. Weit und breit sind wir das einzige Boot, genießen diesen letzten Höhepunkt unseres Karibikaufenthaltes und bedauern die Insel nicht früher angelaufen zu haben.

Die letzten Arbeiten für die Etappe auf die Azoren werden abgeschlossen. Wir haben großen Respekt vor diesem Abschnitt unserer Reise und bemühen uns um eine möglichst umfassende Vorbereitung.