In den San Blas Inseln

Während der ersten Nacht landen mehr als 50 fliegende Fische unfreiwillig an Bord von „Sleipnir2“ – nur einen geringen Teil können wir wieder in sein Element befördern.

Bei der Annäherung an den Archipel tauchen vermehrt kleine, mit Palmen dicht bewachsene, Inseln auf. Ein Vergleich mit den Malediven würde sich aufdrängen, wäre nicht deutlich im Hintergrund das einigermaßen hoch aufragende Festland Panamas zu sehen. Die Einfahrt zu unserem Ankerplatz in den Eastern Holandes Cays kann man ohne Übertreibung als eng bezeichnen. Der Anker fällt auf drei Meter Sand in einer Traumlandschaft.

Unmittelbar neben „Sleipnir2“ und Rahula liegt eines der zahlreichen Riffe – die Sichtweite im glasklaren Wasser schätzen wir auf 40 Meter. Ein Hai teilt Wolfgangs Wunsch nach Körperkontakt nicht und zieht sich elegant zurück, nachdem er an der Schwanzflosse gepackt wurde. Etwas später sind James und Wolfgang unschlüssig wie sie an einen Lobster herankommen, dessen Unterschlupf von einer Muräne „bewacht wird“. Ein Rochen und eine Schildkröte runden das Schnorchelerlebnis ab.

Die Insel, die wir am nächsten Tag erkunden, ist mit dichtem Palmenurwald, der bis zum Strand reicht, bewachsen. Hier wurde nicht gepflanzt oder kultiviert. Palmenstämme liegen in verschiedensten Vermoderungsgraden am Strand oder im Wasser; Reiher, Krabben und Fischschwärme überall – ein Robinsongefühl tut sich auf.
Evi ist an ihrem Traumziel – unübersehbar rundum zufrieden – und intensiviert ihre fotographischen Ambitionen weiter. Eine Vielzahl von Aufnahmen entsteht, und bald quittiert die erste Kamera ihren Dienst…

Auf der Flughafeninsel Porvenir klarieren wir ein. Der Beamte lässt uns mehrfach – nicht ohne Stolz – wissen, dass wir es mit dem Hafenkapitän zu tun haben. Durch das Wechseln seines Käppchens schlüpft er in die Rolle des – an diesem Tag abwesenden – Immigrationsbeamten.
Zahlreiche Formulare werden ausgefüllt und in staatstragender Form abgestempelt – Zeit spielt in diesem Zusammenhang offensichtlich wenig Rolle, obwohl die Amtsgeschäfte als „mucho trabajo“ beklagt werden. Der Verlust eines der Stempel käme vermutlich einer Kastration des armen Mannes gleich.

Rahula fährt zum Panamakanal weiter, wir verlegen uns in die Lemmon Cays. Delphine springen vor unseren Bügen meterhoch aus dem Wasser, etwas später zeigt ein Adlerrochen – ein bisschen weniger elegant – seine Flugkünste.
Die Ansteuerung der, von Riffen umgebenen, teilweise kleinräumigen Ankerplätze erfordert Konzentration und den passenden Sonnenstand. Es gibt nur wenige Seekarten für dieses Gebiet, teilweise wurden sie während der Zeit des ersten Weltkriegs kartographiert und stimmen mit WGS – 84 bezogenem GPS nicht überein. Wer sich zu sehr auf Satellitennavigation verlässt, kann schnell an einem der zahlreichen Riffe auflaufen. Üblicherweise steht Wolfgang am Bug und genießt es, dass die beste aller Bordfrauen (eine Doris, Ingrid, Andi, Sandra, Irene oder Alex mögen dem Autor verzeihen) seinen Anweisungen ausnahmsweise unmittelbar und unwidersprochen Folge leistet.

Die eigentliche Besonderheit der San Blas Inseln sind die hier lebenden Kuna Indianer, die ihr Gebiet – das Kuna Yala – in weitgehender Autonomie von Panama verwalten. Sie haben sich ihre Kultur und Traditionen gegenüber jeglichen Fremdeinflüssen erhalten – bis jetzt.
Mit dem freiwilligen Verzicht auf Elektrizität wurde offensichtlich vielerorts schon gebrochen. Dennoch besteht diesbezüglich noch Handlungsbedarf – beim Betrachten mancher Kabelverbindungen bekommt man vom bloßen Hinschauen einen Stromschlag.
Wir besuchen die eine oder andere Insel, auf der einzelne Familien sehr ursprünglich leben, aber der – größtenteils nordamerikanische – Einfluss westlicher Zivilisation wird in den nächsten Jahren vermutlich die ursprüngliche Kultur weiter in den Hintergrund drängen – mancher Indianer sitzt in seinem Einbaumkajak und spielt verzückt mit seinem Handy…

Wir kaufen Molas und Lobster von den Eingeborenen, die mit ihren „Ulus“ an jedem Ankerplatz wiederholt zu den Booten paddeln (die Kuna Frauen sind wortkarg aber “persistent“, und man kauft – ob man will oder nicht).
Der Tipp spanische Hochglanzmagazine in Cartagena als beliebte Tauschware zu besorgen, erfüllt sich größtenteils. Kommt man zu einem „Geschäftsabschluss“, ergibt sich meist die Gelegenheit einige Aufnahmen ohne Aufpreis zu machen.
Die Frauen in ihrer traditionellen Tracht mit Hüfttuch, Mola, goldenem Nasenring und Gesichtsbemalung sind ein begehrtes Motiv – und sie wissen es.
Geld hat bis vor kurzer Zeit eine untergeordnete Rolle in der Kuna Kultur gespielt. Kokosnüsse waren der übliche Gegenwert im Tauschgeschäft mit kolumbianischen Frachtern, die das Inselvolk mit dem Notwendigsten versorgten.
Die Frauen wählen sich – teilweise in frühen Jahren – den Ehemann und verwalten den gesamten Haushalt. Die Dorfgemeinschaften leben in engem Zusammenhalt, teilweise mit Verzicht auf Privatsphäre – trotzdem ist die Geburtenrate hoch…
Die Kunas sind nach den Pygmäen die kleinste Bevölkerungsgruppe – für Evi und Wolfgang ein ungewohnter “point of view“.

Wir besuchen noch zwei weitere Inselgruppen. In beiden Fällen schwimmen Rochen noch während des Ankermanövers entlang unserer Kette: einmal springt ein Stachelrochen – quasi zur Begrüßung – unmittelbar vor unseren Bügen aus dem Wasser. Unweit eines unserer Liegeplätze liegt ein Wrack – für Evi ein besonderes Schnorchelerlebnis.
Der letzte Ankerplatz liegt offensichtlich im Lebensbereich von zwei Wasserschildkröten. Obwohl die Tiere nicht gerade durch Schnelligkeit bestechen und oft an die Wasseroberfläche kommen müssen, bleiben sie für unsere Kameras doch unerreichbar.

Unsere Freunde Ingrid, Robert und natürlich Anna, in der österreichischen Segelszene als „Idemos“ bekannt, haben uns vor unserer Abfahrt fünf Bücher geschenkt, die wir erst an den Schauplätzen der entsprechenden Handlungen lesen dürfen. In den San Blas Inseln können wir uns endlich dem ersten Buch widmen.
Wer mehr über die Lebensweise der Kuna Indianer erfahren möchte, dem sei das Buch von Antje Olowaili: “ Schwester der Sonne – Ein Jahr in Kuna Yala“ wärmstens empfohlen!

Die San Blas Inseln stellen den Höhepunkt unserer bisherigen Reise dar. Bei nur 5 Ankerplätzen besuchen wir 13 Inseln, und es entstehen ca. 700 Aufnahmen. Die Auswahl der Bilder für diesen Bericht und die Fotogalerie fällt uns diesmal sehr schwer. Nach einigen Abenden der Selektion kommen wir – mit Rotweinunterstützung – doch zu einer Einigung.

Der Wetterbericht und die Nachrichten von den langen Wartezeiten auf den Panamakanal- Transit veranlassen uns – früher als geplant – von den San Blas aufzubrechen. Wir fahren in zwei Tagesetappen nach Colon und ankern über Nacht vor der Isla Linton. Die Brüllaffen des umliegenden Regenwaldes wetteifern hinsichtlich Lautstärke mit der hiesigen Disco. Gegen 21.00 setzt sich leider das Tanzlokal durch, in den frühen Morgenstunden erreichen die Affen ein Unentschieden – Verlierer der Szenerie sind die vor Anker liegenden Boote.
Sonntagnachmittag fahren wir zwischen den riesigen Wellenbrechern durch den Eingang zum Panamakanal und liegen wenig später an einem der bekanntesten Ankerplätze, den so- genannten „Flats“ (die den Yachten zugewiesene Ankerzone „F“). Nach knapp 1300 sm beenden wir mit Erreichen der Kanalzone unsere Fahrt durch das Karibische Meer.