Die Straße von Malakka

Dieser Tage ist das Risiko eines Übergriffs, zumindest auf malaysischer Seite, denkbar gering; kennzeichnend für diese Wasserstraße sind aber – nach wie vor – Treibgut, besonders vor den Hafenstädten dichter Schiffsverkehr, häufige (nahezu tägliche) Gewitter und natürlich die Fischerboote, die selbst in markierten Fahrwassern ihre Netze ausgelegen.

Nachdem wir die Südwestspitze der malaysischen Halbinsel runden, sehen wir uns mit 1,5 Knoten Gegenstrom und ca. 15 Knoten Wind „auf die Nase“ konfrontiert und legen einen abwartenden Stopp in der Einfahrt zum Hafenstädtchen Kukup ein. Nach einiger Zeit funken wir ein vorbeifahrendes Segelboot an, um die Strömungsverhältnisse zu erfragen, und es meldet sich ein verblüffter Hans von der „Libertijn“, den wir schon aus Neuseeland und Fiji gut kennen. Der Entschluss mit der „Libertijn“ weiterzufahren, ist schnell gefasst, einzig der Backbordmotor lässt sich überraschenderweise nicht starten. Der Vorschlag von Hans, den Anlasser mit leichten Hammerschlägen zu „bearbeiten“, führt zum Erfolg, und wir beenden unsere erste Etappe gemeinsam bei der kleinen Insel Pisang.
Vor Nachtfahrten durch die Malacca Strait wird auf Grund der oben genannten „Stolpersteine“ abgeraten, und um die einzelnen Tagesetappen zu bewältigen, erfolgt die Tagwache üblicherweise vor dem Morgengrauen – offensichtlich auch die falsche Zeit für unsere Motoren, die beide (!) ihren Dienst verweigern. Wolfgang rudert den hilfsbereiten Hans zur „Sleipnir2“, überschätzt allerdings ein wenig seine Kräfte, und bei 2 Knoten Strömung artet der Morgensport in Schwerarbeit aus. Nach einiger Zeit und bei aufkommendem Tageslicht erweckt Hans die Maschinen wieder zum Leben, und wir können gemeinsam den Weg nach Norden fortsetzen.
Gleiches Spiel wiederholt sich am nächsten Ankerstopp, allerdings noch eine halbe Stunde früher am Morgen, dafür mit weniger Strömung… Am dritten Ankerplatz gelingt Wolfgang der Startversuch selbst durch die – inzwischen zur Routine gewordene – Behandlung des Starters mit dem Hammer, der über Nacht schon bereitliegt. Ein entsprechend geharnischtes – nur mit den notwendigsten formal üblichen Höflichkeitsfloskeln versehenes – Mail an den Yamaha Workshop in Singapore zeigt Wirkung, und in Port Dickson veranlasst man (von Singapore aus) eine weitere Wartung der Maschinen – diesmal gratis und Gott sei Dank nicht umsonst.

Wir nützen die Wartezeit auf die Reparatur der Außenborder und unternehmen einen zweitägigen Trip in Malaysiens Hauptstadt Kuala Lumpur. Besonders beeindruckend sind die imposanten Petronas Twin Towers, die Aussicht vom „nur“ 421 Meter hohen Menara Tower und natürlich auch das Angebot diverser lebender oder toter Tiere am Markt von Chinatown, der allen üblichen Klischees zu entsprechen scheint. Der Colonial District mit seinem Sultanspalast steht in einem angenehmen Gegensatz zu den vielen Wolkenkratzern des modernen Stadtteils, und für den Besuch der nahe gelegenen Masjid Jamek Moschee müssen wir uns natürlich den konservativen Bekleidungsvorschriften anpassen.

Zurück in Port Dickson erleben wir noch das ein oder andere kleine Drama beim Einbau der Motoren, schließlich entlädt Wolfgang die Anspannung der letzten Tage in einem weithin hörbaren Wutanfall gegen die Mechaniker, und Evi ist gefordert, die Atmosphäre zu kalmieren. Um verlorene Zeit gutzumachen, beschließen wir, direkt nach Langkawi zu segeln und fahren weiter auf die Meeresstraße hinaus entlang des Verkehrstrennungsgebietes, um zumindest den Fischereiflotten auszuweichen. In der zweiten Nachthälfte zwingen uns allerdings Seegang und Gegenwind zum Abbruch, und wir nehmen Kurs auf die Küste, um in einer Flussmündung Schutz zu suchen und bessere Bedingungen abzuwarten. Morgens um 08.00 Ortszeit, bei ca. 2 Meter hohen Wellen und etwa 20 Knoten Wind, verliert Wolfgang während einer an sich unwichtigen Arbeit am Heck das Gleichgewicht und kann sich gerade noch an der 5 cm hohen Holzleiste außenbords festklammern. Auch bei nur relativ geringer Fahrt durchs Wasser ist der Zug an den Beinen beachtlich, aber jahrelanges Training macht sich in diesem Moment bezahlt, und er kann sich aus eigener Kraft zurück an Bord ziehen. Unter Schock beklagt er zunächst nur die nasse Kleidung, erst am Abend geht der Vorfall richtig unter die Haut.
Ein „Über Bord Gehen“ gilt im Allgemeinen, insbesondere nachts, als Todesurteil und stellt ein absolutes „No-No“ dar. Beim vorherrschenden Seegang unter Windfahnensteuerung mit aufgeklappten Motoren hätte Evi wenig Chance gehabt, rechtzeitig ein entsprechendes Manöver zu fahren und Wolfgang gleichzeitig nicht aus den Augen zu verlieren – Fotos über diesen Nahezu – Unfall gibt es naturgemäß keine…

Mittags erreichen wir die Flussmündung, und während Wolfgang für das Ankermanöver Arbeitshandschuhe anzieht, spürt er einen harten Gegenstand am Finger: Durch das Überstreifen des Handschuhs zieht er sich regelrecht den – seit Monaten verloren geglaubten – Ehering wieder über den Ringfinger, der offensichtlich gut eingepasst im Fingerteil des Handschuhs die längste Zeit im Ankerkasten „verstaut“ war. Nach diesem etwas zu ereignisreichen Vormittag verkriechen wir uns in die Kojen, sehen in der „Ringgeschichte“ jedenfalls ein gutes Omen und hoffen auf bessere Bedingungen für die folgenden Tage.

Über Lumut fahren wir weiter nach Norden, um schließlich zwei Tage später in der Südbucht von Penang, die wir mit dem letzten Büchsenlicht erreichen, wieder einen wetterbedingten Notstopp einzulegen. Nach kurzer Zeit registrieren wir ungewohnte Schiffsbewegungen vor Anker und im Schein der Taschenlampe erkennen wir, dass unsere Ankerkette in einem Fischernetz gefangen ist. Am nächsten Morgen können wir uns – nach einigen ehrlich gemeinten und wohl auch fantasievollen Befreiungsversuchen – nur mit einem scharfen Messer befreien und versuchen trotz starker Headwinds zumindest die 15 Seemeilen in die Tanjong City Marina von Georgetown zu bewältigen. Kurz vor der bekannten Brücke über die Penang Strait übersehen wir ein quer über das markierte Fahrwasser gespanntes Fischernetz. Die Unterwassersicht entspricht etwa jener des Neusiedlersees, aber nach ein paar Tauchgängen können wir uns diesmal ohne Zerstörungswerk vom Netz befreien und genießen wenig später die Annehmlichkeiten der Marina umso mehr – zumindest am Beginn unseres Aufenthaltes.

Die Tanjong City Marina erweist sich als eine Fehlkonstruktion der besonderen Art. Über die halbe Länge der Schwimmstege fallen landseitig bei Niedrigwasser selbst Katamarane trocken. Die im Hafenbecken schwimmenden toten Ratten laden nicht unbedingt zum längeren Verweilen ein, wir bleiben dennoch einen weiteren Tag, um das Weltkulturerbe Georgetown mit seinem religiösen Mix aus Moscheen, Kirchen, hinduistischen und chinesisch–buddhistischen Tempeln zu bestaunen und natürlich um Wolfgangs 50sten Geburtstag vorzufeiern. Evi hat sich bereits in Neuseeland ausreichend mit Partyutensilien eingedeckt und zieht wirklich alle Register, um eine – dem Anlass entsprechende – Geburtstagsüberraschung für ihren ausgepowerten Skipper zu organisieren. Sie lädt Wolfgang in das beste Lokal der Stadt ein, und für einige Stunden vergessen wir unsere Mühen durch die Strasse von Malakka. Am nächsten Tag befinden wir uns wieder in der Realität bzw. vor der winzigen Insel P. Bidan, die uns als Schutz vor steilen Wellen und 25 Knoten Wind von vorne dient. Schließlich kommt aber segelbarer Wind auf, und wir erreichen endlich Langkawi, das – zumindest aus unserer Sicht – das Ende der Malacca Strait darstellt.

Hier treffen wir Kirsten und Joachim von der „Sappho“ und Erich von der „Tahaa“ wieder, feiern mit ihnen noch einmal Wolfgangs Geburtstag und erholen uns trotz Ausfalls der Solarmodule und kleiner Segelreparaturen an diesem angenehmen Ankerplatz. Wie viele andere Segler werden sowohl die „Sappho“ als auch die „Tahaa“ die Saison in Langkawi bleiben und nicht weiterziehen. Durch die adäquaten Serviceeinrichtungen für Yachten und die billigen Lebenserhaltungskosten ist diese nördlichste Insel Malaysiens ein Tummelplatz für Segelaussteiger – einige verbringen hier sogar Jahre. Nach 8 Tagen nehmen wir – zumindest von der „Sappho“ – endgültig Abschied (mehr als 20 gemeinsame Ankerplätze) und gehen Anker auf Kurs Thailand, der letzten Station vor den langen Etappen über den Indischen Ozean.