In der Türkei

Für den Liegeplatz ist das Einklarieren mittels Agenten obligat, ein Prozedere, welches sich eineinhalb Tage dahinschleppt und inklusive Visa die Bordkasse um € 100 erleichtert. Wie Evi schnell feststellt, weist die Abrechnung – insbesondere bei den Agenturhonoraren – einige Unregelmäßigkeiten auf. Der am Vortag um Smalltalk bemühte redselige junge Mann versteht darauf angesprochen plötzlich kein Wort mehr Englisch – im Vergleich zu Ägypten allerdings bestenfalls ein Lehrbubenstreich.

Dafür genießen wir die Annehmlichkeiten des Platzes und treffen eine Reihe alter Bekannter aus dem Indischen Ozean. Tagsüber arbeiten wir intensiv am Kat, abends genießen wir die Sundowner auf „Aquila“, „Sleipnir2“ oder auf der deutschen Stahlketsch „Vigo“, deren Crew Kurt und Bettina sich hier sehr gründlich auf einen langen Ausstieg vorbereiten.

Mit einer bestens versorgten „Sleipnir2“, dafür endgültig kaputtem Windmesser (Wolfgang versuchte diesen im Masttop zu reparieren…) fahren wir nur 18 nm weiter westlich in das Buchtensystem der Kekova Roads, an einen der malerischsten Ankerplätze seit sehr langer Zeit.
Zwei Tage lang besichtigen wir die Ruinen und steinernen Sarkophage der Lykier – ein Volk, das hier im Südwesten Kleinasiens bereits lange vor Alexander dem Großen mit eigener Sprache, Schrift und einer Kultur repräsentativer Grabstätten ansässig war.

Die Mauerreste und mächtigen Sarkophage stehen von Busch- und Graslandschaft überwuchert, völlig „unaufbereitet“, scheinbar achtlos entlang der Küste, teilweise zwischen den Häusern des Dorfes oder sogar im Wasser. Die Menschen leben – obwohl vom Tourismus geprägt – doch noch sehr ursprünglich inmitten der steinernen Zeugen ihrer antiken Vorfahren und spannen vermutlich eher selbstverständlich als pietätlos ihre Wäscheleinen zwischen Hausmauern und Sarkophagen.
Die Aussicht von der Burg der antiken Stadt Simena (das heutige Kaleköy) lässt Evis Kamera wieder einmal „heiß laufen“.

Unglaublich ist die Vielzahl der allgegenwärtigen Gulets, jener aus Holz gefertigten, meist zweimastigen Motorsegler, die bereits während der Vorsaison in den türkischen Küstengewässern mit Touristen cruisen. Viel Schweiß an Instandhaltungsarbeiten muss vergossen werden, um diesen Schiffstyp, der als Handelssegler bereits in der Antike gebaut wurde, in jenem großartigen Zustand zu erhalten, in dem sich die meisten der voluminösen Boote präsentieren.
Eine Gelegenheit noch einmal auf unseren äußerst umtriebigen Freund Ernst hinzuweisen, der seit 2009 mit der Gulet „Algarina“ in der Adria Segelcharter mit allem nur erdenklichen Komfort anbietet – siehe: www.globalyachting.at

Wir fahren weiter nach Kas, um dort den Nachmittag abzuwarten und dann, bedingt durch die Wetterlage, uns in einer Nachtfahrt nach Göcek zu „schummeln“.
Während dieser Etappe wird uns erstmals bewusst, wie sehr sich durch den Nordkurs der letzten Wochen das nächtliche Firmament gewandelt hat. Lange Zeit waren sowohl das Kreuz des Südens, als auch der Große Wagen und der Nordpolarstern unsere Begleiter und Wegweiser durch die Nächte. Das Kreuz des Südens ist längst nicht mehr zu sehen, der Nordpolarstern steht mittlerweile deutlich höher, die Kassiopeia ist noch nicht auszumachen.

Göcek ist eines der wesentlichen Charterzentren der Türkei, der gesamte Ort scheint hauptsächlich aus Marinas, Workshops, Chandleries und anderen maritimen Versorgungsstellen zu bestehen.

Seit Aden fahren wir den Steuerbordmotor dank improvisierter Reparatur mittels einer Cdi-Einheit eines 2-Takt Motors eigentlich überraschend problemfrei. Hier haben wir die Möglichkeit, über eine gut organisierte Yamaha-Werkstatt, die orginale Blackbox – quasi das Gehirn der Maschine – kurzfristig zu bestellen und einbauen zu lassen.
Unser Mechaniker ist begeisterter Motorradfahrer. Die Notwendigkeit ein Kleinteil zu besorgen gibt ihm eine willkommene Gelegenheit für eine Spritztour mit seiner Enduro – Wolfgang hätte er besser nicht dazu einladen sollen, ohne Helm wird es einer der riskantesten Ausflüge der letzten drei Jahre…
Trotz allgegenwärtiger, engagierter Sicherheitskräfte, die den Bewegungsraum um die Marinas doch einschränken, genießen wir den Aufenthalt und geben längst fällige kleine Näharbeiten in Auftrag.

Durch Internetrecherchen wissen wir um die sagenhaft hohen Benzinpreise im Land und haben bereits in Zypern vorgesorgt. Die € 1,90 pro Liter 95 Oktan Benzin dürften weltweit kaum zu überbieten sein – 1 Cent/Liter aus Venezuela geben, global betrachtet, doch eine bemerkenswerte Spanne bei den Treibstoffpreisen…
In einem zugegeben gut sortierten Kiosk entdecken wir den ersten Kurier seit – ja seit wie lange eigentlich? Wir erstehen das einzige Exemplar und sind letztlich ein wenig enttäuscht über die Berichterstattungen, die sich – abgesehen vom offensichtlichen Wechsel einiger „Persönlichlichkeiten“ und Akteure – wenig verändert haben.

Um aus der Türkei ordnungsgemäß auszuklarieren, verlegen wir uns in das südöstlich liegende Fethiye, einem Ort mit Charme und dem sehenswerten Telmessos Amphitheater.
Für die Behördenwege nehmen wir nur die notwendigsten Dienste einer Agentur in Anspruch und absolvieren den Papierkrieg bei Polizei, Zoll und Hafenkapitän geldsparend in Eigenregie – die wirklich groteske Arroganz einiger Beamten erleben wir eher als amüsante Unterhaltung.

Eine der vielen Buchten im Golf von Fethiye, der sich bereits in der Nebensaison als stark frequentiertes Charterrevier präsentiert (wie geht es hier wohl im Sommer zu?), ist unsere letzte Station in türkischen Gewässern, bevor wir Kurs auf die griechischen Inseln der Ägäis nehmen.
Für Evi war es der erste Besuch in der Türkei, Wolfgang war mit Freunden vor mehr als 25 Jahren zum Windsurfen hier. Damals hat man vor Cesme Quartier bezogen, wo der Meltemi durch die Akzeleration der vorgelagerten griechischen Insel Chios besonders stark und konstant bläst. 2010 versucht die „Sleipnir2“-Crew genau diese Düseneffekte zu vermeiden und zieht es vor, die Ägäis noch vor Eintreten des bekannten Schönwetterwindes (früher von den Griechen „Etesien“ genannt) zu queren – im Laufe eines Vierteljahrhunderts haben sich die Präferenzen gewandelt…

In der Ägäis

Insgesamt fünfmal (!) müssen wir uns während des Tages verlegen, nachdem die kleine „Sleipnir2“ raumfüllend den großen Kreuzfahrtschiffen und Frachtern das Manövrieren doch erschwert. Mit griechischer Gelassenheit gibt es keine Klagen seitens der Kapitäne, obwohl – entgegen unseres (sehr alten) Revierführers – das Ankern für Yachten in diesem Teil des Hafens nur mehr kurzfristig in Notsituationen erlaubt ist; es braucht nicht viel Phantasie eine solche vorzubringen. Wolfgang Hausner hätte in dieser Situation wohl gemeint: „Ich fühlte an meiner Pinne – sie schien mir ein wenig locker…“.

Zwischen den Ankermanövern bunkern wir um 350 Euro Benzin (1 Liter 95 Oktan kostet € 1,60 !!!) und klarieren wieder selbständig, ohne einen Agenten in Anspruch zu nehmen, ein – fast wäre dies schiefgegangen:
Der arrogante Beamte der Passpolizei meint lakonisch, Österreich und Deutschland, das sei ohnehin eines wie das andere. Wolfgang bemerkt ebenso lakonisch, dass er damit teilweise sogar recht hätte, schließlich erhält Griechenland im Rahmen der EU-Subventionen von beiden Ländern gleichermaßen hohe Geldsummen, um den bankrotten Staatshaushalt zu stützen. Wenn Blicke töten könnten, hätte sich Evi innerhalb von Sekunden selbst zur Witwe gemacht, aber der Mann dürfte verstanden haben und stempelt uns überraschenderweise ohne ein weiteres Wort zu verlieren zügig ab. Vor dem Besuch der Hafenkommandatur verpasst Evi ihrem Skipper allerdings sicherheitshalber einen Maulkorb…

Eine Yacht unmittelbar vor den Gebäuden der Hafenbehörden fällt besonders auf: dass sie unter österreichischer Flagge fährt, macht sie für uns noch ein wenig interessanter. Die „Carinthia VII“ wurde von Heidi Horten in Auftrag gegeben, nimmt mit 97,2 m Lüa (Länge über alles) Platz 19 in der Liste der längsten Motoryachten der Welt ein, und der Schätzwert beträgt etwa 100 Millionen Euro.
Es bleibt uns leider sehr wenig Zeit, die wirklich sehenswerte Stadt, welche allerdings durch die zahlreichen Kreuzfahrtschiffe sehr vom Tourismus geprägt ist und wohl auch dadurch ein entrücktes Preisniveau aufweist, zu besichtigen. Die Marina hat auch in der Vorsaison für einen kleinen Kat keinen Platz, und so brechen wir wieder einmal mit dem ersten Tageslicht auf, jetzt endgültig Kurs Symi.
Wir gehen davon aus, dass die Pedi Bucht ein idealer Ausgangspunkt ist, um den malerischen Hauptort zu Fuß oder mit dem Bus zu besuchen – weit gefehlt. Die Bucht wird von Insidern als „Teflon Bay“ bezeichnet, abgeleitet von der Pfannenbeschichtung – hier haftet eben auch der Anker sehr, sehr schlecht. Durch die heftigen Fallböen und schrallenden Winden geht „Sleipnir2“ innerhalb weniger Stunden zweimal auf Drift, bis wir im südlichsten Teil der Bucht auf 12 m Wassertiefe sicherer liegen. Wir befinden uns in guter Gesellschaft – es gibt kaum ein Boot, das nicht mindestens drei Ankermanöver fährt.

Hier treffen wir wieder auf eine internationale und überwiegend sehr sympathische Seglergemeinschaft, leider taucht aber doch gelegentlich der Typ des allwissenden Ostmittelmeer-Cruisers auf. Wir bekommen ungefragt Lehrstunden hinsichtlich des richtigen Ankerns, der Seemannschaft im Allgemeinen und erfahren endlich die wahren Hintergründe des Piratenwesens im Golf von Aden – eigentlich wollte man schon längst um die Welt segeln, es ist eben immer etwas dazwischen gekommen…
Auch Rod Heikell, Bibelautor zahlreicher Segelrevierführer, will man vor zwei Jahren hier geortet haben, um seinen „Griechenland“-Pilot auf den aktuellsten Stand zu bringen – dass wir mit ihm genau zu dieser Zeit im Pazifik unterwegs waren, wird ignoriert.

Apropos Piraten: ein guter Freund aus gemeinsamen Tagen in Neuseeland, der deutsche Einhandsegler Edmund Fritz, wird Anfang Mai im Roten Meer auf Höhe der Hanish Inseln überfallen. Die Seeräuber, die ihn mit Machinengewehren bedrohen, arbeiten schnell, und nach 15 Minuten segelt Edmund minus einiger hundert Dollar, einem GPS-Gerät und anderer Ausrüstungsgegenstände unverletzt und um eine Erfahrung reicher weiter… Trotzdem sind wir erschüttert!

Nach zwei wetterbedingt wenig erholsamen Nächten verlegen wir uns an einen verwaisten, halb fertiggestellten Pier und machen an den U-förmig in den Beton gegossenen, rostigen Stahldrähten fest. Der Fischer Theo versichert uns (mit der meistgehörten Phrase dieser Reise: „No problem“), man würde in den nächsten Wochen die Arbeiten hier nicht fortsetzen, das Geld wäre ausgegangen…

Evi verbessert ihr Griechisch mit jedem Tag, eine Sprache die sie vor (sehr) vielen Jahren annehmbar gesprochen hat. Der Zugang in der Landessprache bietet uns einen unschätzbaren Vorteil im Kontakt mit den Menschen des Dorfes, und häufig schallt uns schon morgens ein freundliches „jiá ßu“ von den Fischern entgegen.
Auch Wolfgang schwelgt in Erinnerungen längst vergangener Zeiten intensiven Windsurfens in Parga (im Ionischen Meer) und kramt nach Vokabeln, die für eine selbst jeder Grammatik entbehrenden Konversation aber kaum ausreichen.

Nach einer Woche windbedingten Wartens scheitern wir abermals an dem Versuch, durch eine Nachtfahrt möglichst ökonomisch Seemeilen nach Westen zu machen. Zwar segeln wir mit raumen Winden Richtung Kos, geraten allerdings in der ersten Nachthälfte, nachdem wir die Südspitze der Insel gerundet haben, in eines der schwersten Gewitter der gesamten Reise. Die Zugrichtung der Wetterstörung ist für uns zunächst nicht auszunehmen: Blitze scheinbar unausweichlich überall. Das Echo des Gewitters, das wir erst später am Radarschirm sehen, ist stärker als jenes der Inseln Kos – erst jetzt erkennen wir die Verlagerung und laufen nach Süden ab.
Um 02.00 morgens scheinen wir das Schlimmste überstanden zu haben und entschließen uns, doch noch unser ursprüngliches Ziel, die Insel Levitha, anzusteuern. In dieser Nacht finden wir keinen Schlaf, ziemlich ausgelaugt erreichen wir am nächsten Vormittag die in alle Richtungen geschützte Südbucht dieser „Ziegeninsel“, in der sogar Bojen ausgebracht wurden – den Rest des Tages bleiben wir allerdings in den Kojen…

Am nächsten Morgen liegt unmittelbar vor uns eine Legende unter den Segelrennyachten: die SY „Flyer“. Mit der von Sparkman & Stephens konstruierten „Flyer“ hat der Niederländer Cornelius van Rietschoten sein erstes „Whitebread Round the World Race“ gewonnen, die 65 Fuß Yacht wurde inzwischen um ein kleines Vermögen für das Fahrtensegeln adaptiert. Der gegenwärtige Eigner hält standesgemäß Abstand von einer Konversation mit der „Sleipnir2“-Crew, dafür winkt man uns von der benachbarten österreichischen Ketsch mit einem Exemplar von „Ocean7“ entgegen: „Seid ihr das? Dann kennen wir euch.“ In weiterer Folge verbringen wir mit Monika und Kristian einen sehr netten Abend und werden sogar zum Essen eingeladen. Die beiden genießen offenbar sehr entspannt die Vorsaison in diesem Revier auf ihrer „Cat Balu“, wenn die Ankerplätze dichter werden, fliegen sie wieder nach Österreich…

Mit den Auswirkungen von etwas zu viel Grappa brechen wir unter günstigeren Windprognosen auf und fahren über die Insel Dhenoussa, wo wir einsam und alleine ankern, nach Mykonos – partnerschaftlich hochtolerantes Touristenmekka in der Ägäis. Der Hauptort mit dem Wahrzeichen der Windmühlen von Kato Mill trieft geradezu vor griechischem Flair, abgesehen vom Preisniveau wird hier dem Klischee Hellas wohl am ehesten entsprochen.
Wir bleiben nur eine Nacht, bevor wir über Siros weiter nach Kithnos motorsegeln.
Die trostlos karge Insel Delos (der Geburtsort von Apollon und Artemis) lassen wir an Steuerbord liegen. Yachten dürfen hier ohnehin nicht vor Anker gehen. Kaum zu glauben, dass dieser unscheinbare Ort ein politisches und religiöses Zentrum der antiken Welt war – vermutlich bedingt durch die nautisch strategische Lage im Kreuzungspunkt der Handelsrouten.

Wie Monika (von der SY „Cat Balu“) treffend bemerkt, geht es in der Ägäis mit Westkurs meist „bergauf“, und so kämpfen wir uns nach Kithnos, wo wir den traumhaften Ankerplatz genießen: zwei Buchten werden nur durch eine Sandbank getrennt.
Zwei Tage später erreichen wir das belebte Poros, von dort motoren wir weiter nach Epidavros, unserem ersten Stopp auf dem Peloponnes – das antike Theater mit der exzellenten Akustik besuchen wir leider aus verschiedenen Gründen nicht.
Der letzte Ankerplatz in der Ägäis liegt unmittelbar hinter dem Kap Sousaki, drei Seemeilen vor dem Kanal von Korinth. Per Autostopp fahren wir zur Kanalzone – der Blick von einer der fünf Brücken (zusätzlich gibt es zwei absenkbare Brücken an beiden Einfahrten) in die 80 Meter tiefe Felsschlucht, die beim Bau des Kanals geschlagen wurde, ist schlichtweg Respekt einflößend. Der Grieche, den wir für die Rückfahrt zum Boot anhalten, verirrt sich hoffnungslos, aber nach einer halbstündigen Odyssee werden wir schließlich doch noch beim Dinghyanleger abgesetzt – er spielt die Bouzouki, liebt Wien und somit uns, Anhalter wird er vermutlich trotzdem nicht mehr so bald mitnehmen…

Am nächsten Morgen fahren wir durch die 1893 fertiggestellte, 3,2 Seemeilen lange, schnurgerade Wasserstraße und sind von dieser Perspektive nicht minder beeindruckt – ein Motor- oder Ruderschaden würde wohl ein interessantes Szenario heraufbeschwören… Die Gebühren für die Passage erleichtern die Bordkasse um 153 €, im Verhältnis zur Länge tatsächlich der teuerste Kanal der Welt (etwa der gleiche Tarif wie für die 87,5 nm durch den Suezkanal).
Bei einem Knoten Gegenstrom erreichen wir nach 45 Minuten den Golf von Korinth, haben die Ägäis somit endgültig verlassen und steuern den kleinen Hafen der geschichtsträchtigen Stadt an, die dem Golf seinen Namen gibt.

Vom Golf von Korinth ins Ionische Meer

Es folgt eine Einladung auf Dimitris Boot, wo Wolfgang einem Intensivkurs im Mittelmeer-Hochseefischen inklusive Knotenkunde unterzogen wird. Nahezu „allwissend“ und mit neuen Ködern versorgt, kehrt er zum Kat zurück – Evi bleibt skeptisch: „Wir werden ja sehen…“.

Das etwas unkonventionelle Design von „Sleipnir2“ hat von jeher das Interesse und die Aufmerksamkeit von Passanten und anderen Seglern geweckt. Für den Umstand, dass wir auf diesem Boot einige Jahre gelebt und lange Reisen unternommen haben, zollt man uns im Laufe der letzten Wochen ungewohnt viel Respekt. In zunehmendem Maße bekommen wir Einladungen auf andere Schiffe, wie auf die SY „Ma Vie“ des hochsympathischen Italieners Giacomo (auf Spaghetti – What else?), oder auf die SY „Retreat“ der erfahrenen Engländer Monica und Mike auf Gin Tonic, sehr viel Gin Tonic…
Zwei Abende auf der „Snowgoose“ von Sue und Mike gestalten sich besonders herzlich – Mike und Wolfgang liegen offensichtlich auf derselben Wellenlänge, wodurch sich britischer und österreichischer Humor sehr unterhaltsam ergänzen – gelinde ausgedrückt, für die Frauen streckenweise ein bisschen zu viel an Entertainment…

Unseren ersten Hochzeitstag (und gleichzeitig 18.Jahrestag) feiern wir in einer Taverne am Hafen vor der passenden Kulisse eines traumhaft schönen Sonnenuntergangs. Evi schenkt Wolfgang eine neue Geldbörse, nachdem die alte bereits sehr „durchlässig“ war – solange noch etwas rausfallen konnte, war Wolfgang so weit noch recht zufrieden…

Es wird Zeit weiterzuziehen. Über den etwas zu einsamen Ankerplatz in der Veresses Bay, südlich von Andikiron, erreichen wir die rundum geschützte Bucht der kleinen Insel Trizonia. „Work in progress“ lautet die Beschreibung für eine Marina, die wohl nie fertiggestellt werden wird, aber die Betonpiere, die bereits erste Verfallserscheinungen aufweisen, sind zumindest mit soliden Klampen ausgestattet, und so liegen wir hier gratis und sicher. Ein Geheimtipp – entsprechend sind die Stege belegt, und auch der Meister persönlich scheint die Vorteile von Trizonia zu schätzen: in einem abgelegenen Teil der „Marina“ orten wir tatsächlich James Wharrams „Spirit of Gaia“, mit ihrer 63 Fuß Länge quasi das Flagschiff aller Wharram Katamarane. Das berühmt Boot ist klariert und niemand an Bord, für uns eine Gelegenheit verschiedene Detaillösung hinsichtlich Rigg, Steuerung oder Aufhängung der Motoren in Augenschein zu nehmen.

Trotz dieser „spirituellen Entdeckung“ gehen wir am folgenden Morgen weiter auf Westkurs und nähern uns am Vormittag der neuen Brücke, die an der schmalsten Stelle den Peloponnes mit dem Festland verbindet. Man scheint auf das Bauwerk sehr stolz zu sein, jedenfalls muss man sich 5 nm und 1 nm vor, bzw. 5 nm nach der Durchfahrt auf Kanal 14 bei Rion Traffic melden – ein wenig überzogener Funkverkehr, aber wir sind somit im Golf von Patras.
Einige Stunden später motoren wir durch einen 3 nm ausgebaggerten Kanal in den Hafen der Studentenstadt Mesolongion und ankern in dem weitläufigen Becken, das wohl leicht 100 Yachten Platz bieten würde, allerdings…. Nach nicht nachvollziehbarem Ärger mit der Coast Guard liegen wir wenig später am kaum einladenden Stadtkai, wo Wolfgangs wachsender Unmut über die eigenwilligen Hafenbestimmungen das Verhältnis zu den „Locals“ etwas trübt… Evi ist – wie immer – um Schadensbegrenzung bemüht.

Sue und Mike führen uns in das Sugar Café, wo man zu jedem bestellten Bier kleine Häppchen, ähnlich der spanischen Tapas, serviert bekommt. Nach drei Bieren hat man quasi zu Abend gegessen, und die Stimmung leidet bei dieser Form der Konsumation auch nicht gerade.

Die konstante Nordwestwindlage lässt uns wieder einmal das Heil in einer Nachtfahrt suchen. Diesmal gelingt die Übung, und wir erreichen nach einer sternenklaren Nacht die Insel Levkas. Erstmals seit wir Tobago im Dezember 2007 verlassen haben, befinden wir uns nach 2 ½ Jahren wieder in einem Gebiet, das wir bereits als Segelrevier kennen.
Die Tranquil Bay ist wie im Pilotbook beschrieben eine einladende, attraktive und sichere Bucht. So bleiben wir eine weitere Nacht, bevor wir durch den Levkas Kanal nach Preveza weiterziehen – dieser Kanal ist unsere dritte, aber auch bequemste und billigste Passage innerhalb von nur zwei Monaten.

Obwohl wir viel Engagement daransetzen, auch im Mittelmeer Fische zu fangen, bleiben wir selbst mit neuer Ausrüstung und Tipps von Dimitri aus Korinth erfolglos. Immerhin wird einer seiner Köder abgebissen, wodurch wir doch auf Leben unter Wasser schließen können…

In Preveza liegen wir asozial raumfüllend längs am Stadtkai, der abends offensichtlich zum gesellschaftlichen Zentrum und Treffpunkt der Griechen wird. Wir sitzen in der Auslage, beobachten und genießen aber auch unsererseits aus der ersten Reihe fußfrei das bunte Treiben. Zwei Österreicher begrüßen uns mit breitem Grinsen: „Wir kennen euch, ihr seid Freunde der Seenomaden“. Hans und Franz liegen mit ihrem Schiff „Dona Blanca“ in einer der örtlichen Marinas und bleiben auf ein Glas Wein zum allgemeinen Erfahrungsaustausch. Kaum haben die beiden „Sleipnir2“ verlassen, vernehmen wir ein unüberhörbares „Hallo, Wien“. Ottmar weckt mit seinem Wiener Dialekt heimatliche Gefühle, und der Abend wird sehr lang – viel zu lange für uns, nachdem wir uns auf Grund der plötzlich günstigen Wettersituation für den nächsten Morgen zu einem direkten Schlag nach Otranto entschlossen haben.

Die Pharmazie macht es vor allem Wolfgang möglich, tags darauf wider Erwarten tatsächlich die Leinen loszumachen und Kurs auf die Straße von Otranto zu nehmen. Abgesehen davon, dass wir früher als angenommen die Ionischen Inseln und somit Griechenland verlassen, kein sonderlich erwähnenswertes Ziel – für uns aber doch eine ganz besondere Destination… Am 14. Juni kreuzen wir um 11.45 UTC kurz vor dem Hafen von Otranto unsere alte Kurslinie und haben somit die Welt umsegelt!!! Am 26. Juli 2007 sind wir bei 30 Knoten Wind nur unter Arbeitsfock mit sieben bis acht Knoten Fahrt über Grund an Otranto vorbeigesegelt. 2 Jahre, 10 Monate und 19 Tage später schließen wir nach 28.283 Seemeilen den Kreis auf N 40° 08,17’ und E 018° 31,76’.
488 Jahre nach Magellan (eigentlich Elcano auf der verbliebenen „Victoria“) und 112 Jahre nach dem unvergessenen Joshua Slocum haben auch wir auf der „Sleipnir2“ bewiesen, dass die Erde rund ist (eine an den Polen abgeplattete Kugel). Es ist ein erhebendes Gefühl, den Leuchtturm von Otranto bereits vor Augen, sich dem Schnittpunkt langsam zu nähern, der selbst bei fünf Knoten Fahrt scheinbar nicht und nicht näher kommen will.Wir lassen die Reise ein wenig Revue passieren, feiern mit einer (ganzen !) Flasche Sekt und können nur schwer erfassen, dass wir vor fast drei Jahren etwas südlich von hier Kurs West genommen haben und uns nun quasi von der anderen Seite wieder nähern.
Sehr stolz, zufrieden und erleichtert, aber durch den Sekt und den Mangel an Schlaf völlig kraftlos, lassen wir eine halbe Stunde später den Anker im Hafenbecken von Otranto fallen.

Die Straße von Otranto und südliche Adria

Schneller als erwartet, bekommen wir eine Windprognose wie aus dem Bilderbuch und segeln tags darauf unter Spinnaker nach Brindisi, wo wir – wie schon zu Beginn unserer Reise vor fast drei Jahren – am Stadtkai längs festmachen.
Der hochgepriesene Köder aus Korinth wird auf diesem Schlag seinen Vorschusslorbeeren in gewisser Weise völlig gerecht: Zwar beißt kein Fisch im engeren Sinne an, dafür verfangen wir uns in einer Fischerleine an der bereits vier Brassen zappeln…
Die Mole Seno di Levante ist gleichsam die Abendpromenade der Stadtbevölkerung und leider durch zahlreiche Fähren, Wassertaxis, Schlepper und etwas abgehobene Motorbootfahrer stets einem gewissen Schwell ausgesetzt. Evi muss drei Anlegemanöver fahren, bis „Sleipnir2“ für alle zufriedenstellend „geparkt“ ist, aber das kann man einer frischgebackenen Weltumseglerin schon abverlangen.

Historisch gesehen bedeutsam, liegen wir vor dem Ende der Via Appia, sportlich entscheidend ist allerdings die Lage zweier Trattorias mit Großbildschirmen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Steiner Captain Fernglas würde ausreichen, die Spiele von Bord aus zu verfolgen, um die Italiener aber hautnah leiden zu sehen, muss Wolfgang unter das Volk.
Apropos Volk: eine Demonstration am Sonntag steht offenbar nicht in Zusammenhang mit den Leistungen der italienischen Fußballer, der tatsächliche Anlass der lautstarken Kundgebung bleibt uns letzlich verborgen.

Die Wetterlage in der Adria ist durch einen Trog mit Regen und Gewittern bestimmt, aber es gibt schlechtere Plätze, um abzuwarten. Wir liegen im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten der Aluminium-SY „Riela“, die mit ihren 56 Metern Länge zu den größeren Segelyachten dieser Welt zählt. Wenn ein Besanmast vier Salings aufweist, erübrigt sich normalerweise die Angabe weiterer Maße. Dass sie etwas breiter als „Sleipnir2“ lang ist, gibt aber dennoch eine eigenwillige Konstellation zwischen Mono- und Multihull.
Nachdem allerdings die Megayacht „Al Mirqal“, im Besitz des Emirs von Katar, Brindisi die Ehre erweist, bekommt auch die SY „Riela“ ihre Lektion in Verhältnismäßigkeit. Mit 133 Metern Länge nimmt die „Al Mirqal“ Platz 7 in der Liste der längsten Motoryachten ein, und innerhalb kürzester Zeit prägen Stretchlimousinen, Fernsehteams, Tieflader und sehr viel uniformiertes Personal das Bild am Stadtkai.

Auf der „Sleipnir2“ backen wir kleinere Brötchen. Kräftige Böen im Hafen zwingen uns trotz Regens das Sonnen/Regensegel abzuschlagen und den Kat mit zusätzlichen Festmachertrossen zu sichern.
Zwei Abende verbringen wir mit den sympathischen Salzburgern Christl und Robert, die mit ihrer Ferrozementyacht „Theopigi“ auf dem Weg zu den griechischen Inseln hier einen Zwischenstopp einlegen. Vor vielen Jahren sind auch sie eine Atlantikrunde gesegelt und haben abenteuerliche Fernreisen mit dem Auto unternommen, so geht der Gesprächsstoff kaum aus, und die Abende werden wieder einmal sehr lang…

Der wetterbedingte Zwangsaufenthalt in der Transitstadt weitet sich unerwartet aus, aber zunächst steht ohnehin sehr viel Arbeit an unserem Kat an, und die regelmäßig stattfindenden Events bringen Abwechslung in den Bordalltag.
Eine Oldtimer-Rallye, die von Rom startend entlang der ehemaligen Via Appia hier in Brindisi ihr Finale erlebt, bringt mit alten Ferraris, Maseratis und Alfa Romeos unüberhörbare Aktivitäten ins Straßenbild.
Der Hafenbereich vor „Sleipnir2“ wird für einige Tage zum Trainingsgelände einiger Ruderclubs (darunter auch eine reine Frauencrew), die in ihren schweren Ruderbooten verzweifelt versuchen, Abstimmung in das Chaos ihrer Riemen zu bringen. Zunächst sind wir amüsiert, letztlich ist aber ein großangelegter Wettbewerb Anlass für den ungewohnten Trainingsfleiß, und das Veranstaltungszelt steht formatfüllend unmittelbar vor unserem Liegeplatz – wir könnten die Pokale mit dem Bootshaken von Bord aus entwenden…
Eine aufwendig aufgezogene Modeschau im westlichen Hafenbecken enttäuscht die hochgesteckten Erwartungen – vielleicht etwas ungerechtfertigt, schließlich ist zumindest Wolfgang auf diesem Gebiet völlig unbedarft.

Wir genießen die wirklich seltene Konstellation von ausgezeichnetem Internetzugang zu sehr moderaten Tarifen und leiten somit die Übergangszeit in unser künftiges Leben in Wien ein. Quasi wie in festgesetzten Bürostunden organisieren wir den Wiedereinstieg, kontaktieren Versicherungen, stehen in Mailkontakt mit den Schulen, sondieren den Gebrauchtwagenmarkt und bereiten den Verkauf unseres Katamarans vor. In den vergangenen zehn Jahren hat „Sleipnir2“ unser Leben wesentlich beeinflusst, teilweise bestimmt, etwa viereinhalb Jahre haben wir auf dem Boot gelebt, 42 Länder (bei strenger Auslegung) bereist und sind knapp 45.000 Seemeilen gesegelt – jetzt ist leider die Zeit der Trennung. Eine von Emotionen geprägte Vernuftentscheidung.
Ein Verkausschild am Rumpf erweist sich als weniger glückliche Idee, weckt zu viel Interesse und wird von uns bald wieder entfernt. Etliche Passanten fühlen sich offenbar persönlich angesprochen, zweimal wird das Boot ungefragt betreten – einmal sogar während unserer Abwesenheit.

Ein Besuch des Marine Denkmals, gleichsam ein Wahrzeichen der Stadt, gibt einen fantastischen Blick über den Hafen und die leider immer noch rauen Bedingungen auf dem Meer. Wir bemühen uns dennoch, Brindisi zu entkommen und zumindest die italienische Ostküste entlangzufahren, scheitert aber kläglich. Fünf Stunden versuchen wir zu kreuzen oder unter Motor gegen Wind, Welle und Strömung Boden gut zu machen, aber gegen die Naturelemente kann und soll man nichts erzwingen. Das Ablaufen zurück in den Hafen kostet ein hohes Maß an mentaler Kraft. Dafür liegt mittlerweile die „Karo“ mit Karl und Roswitha am Stadtpier. Die beiden steirischen Fahrtensegler hätten wir schon vor drei Jahren während ihrer Atlantikrunde treffen sollen, durch unsere Rückkehr an die vertraute Mole Seno di Levante kommt es jetzt zum unerwarteten nautischen Erfahrungsaustausch.

Am 5. Juli starten wir einen weiteren Versuch, einer drohenden Einbürgerung in Brindisi zu entgehen und erreichen schließlich unter ermüdenden Wind- und Seegangsbedingungen Kroatien, genauer gesagt den Zollhafen Ubli auf Lastovo. Es ist die 218. und hoffentlich letzte Nachtfahrt dieser Reise um die Welt.

Durch die Adria

Über die Einklarierungskosten, die uns in Kroatien erwarten, sind wir aus Brindisi bestens vorinformiert, und so hält sich der damit verbundene, unvermeidliche Schock in Grenzen. Die Beamten, die jene – jeder Verhältnismäßigkeit entbehrenden – Gebühren einfordern müssen, sind äußerst höflich und korrekt. Sie scheinen häufiger mit fassungslosen Wutausbrüchen Einreisewilliger konfrontiert zu sein, aber wir verlieren erst unsere stoische Ruhe, als man am ersten Liegeplatz in Lastovo Nationalparktaxen einhebt. Auch diese Parkwächter sind offenbar auf unbeherrschte Reaktionen gefasst, und diesmal wollen auch wir die Halsabschneider „nicht enttäuschen“ und haben nur mehr Mitleid mit uns selbst…
Kroatien rangiert jedenfalls als teuerstes Segelrevier knapp vor Australien an erster Stelle.

Dafür ist der freie Platz an einer alten Steinmole in der rundum geschützten Bucht Jurjeva Luka ideal, um ein wenig zu verschnaufen und den „Abschied“ von Brindisi zu feiern. Am folgenden Morgen legt die österreichische Yacht „Geronimo“ neben uns an, und zu unserer Überraschung sind wir für die Crew keine Unbekannten. Auch Didi und Susi haben schon für „Ocean7“ Artikel verfasst, sind offensichtlich „richtige“ Segler und verbringen jede verfügbare Minute auf ihrem Schiff. Am Nachmittag erfolgt eine Einladung ihrer Freunde und Begleiter Martina und Theo auf die Motoryacht „Cara Mia“ zu Kremser Veltliner aus dem eigenen Weinkeller, abends werden wir sogar anlässlich des dritten Jahrestages unserer Reise zum Essen ausgeführt.
Wir gönnen uns noch einen weiteren Tag Pause, dann ziehen auch wir weiter. Die Gradina-Bucht im Westen von Korcula ist wohl eine der empfehlenswertesten Liegeplätze in der Adria, wir ankern allerdings nur für eine Nacht – ein Fehler, für den wir promt die Rechnung präsentiert bekommen.

Um ruhig und sorglos kleinere weiterführende Arbeiten am Schiff erledigen zu können, verlegen wir uns in eine tiefeingeschnittene Bucht bei Hvar. Der Liegeplatz füllt sich leider in kürzester Zeit, ist am frühen Nachmittag zum Bersten voll, und bald quert eine Yacht mit junger Crew im Zuge ihres völlig rätselhaften Ankermanövers unmittelbar vor unseren Rümpfen. Die Reaktion auf Wolfgangs spontane und – zugegebenermaßen – etwas undiplomatische Aufforderung, das Manöver sofort abzubrechen, ist ein ausdrucksloser Blick, sowie ein langgezogenes „Hähh?“ des Rudergängers…
Am nächsten Tag ergreifen wir um 05.00 morgens mit dem ersten Sonnenlicht die Flucht und zählen auf Höhe Rogoznica 60 Segel- bzw. Motoryachten im Blickfeld (!) – die Rezession scheint weitgehend überstanden zu sein. Wir ziehen uns in eine tatsächlich entlegene Bucht zurück, ohne jegliche Möglichkeit, das Fußballweltmeisterschaftsfinale zu verfolgen – für Evi eine zusätzliche Erlösung…
Ein Dinghy fährt knapp an uns vorbei, und wir schnappen ein paar Sätze auf: „Sleipnir2, des is der Katamaran, der um die Wölt gfohrn is…“ Ab und dann werden wir erkannt und wir müssen wohl zugeben, ein bisschen stolz zu sein.

Auf dem kurzen Weg nach Primosten werden wir abermals von zahllosen Wassersportlern „begleitet“. Wolfgang setzt sich über jeglichen guten Ton disziplinierten Funkverkehrs hinweg und setzt einen „All Stations Call“ auf Kanal 16 ab, um das Ergebnis des Fußballendspiels zu erfragen, bekommt aber keine Antwort – nicht einmal eine Rüge… Selten konnten wir Ignoranz mit so viel Amüsement aufnehmen.

In der ausgezeichnet geschützten Bucht vor der Hramina Marina bei Murter-Stadt verbringen wir drei Tage mit Servicearbeiten am Schiff.
Die Okkasion der hochwertigen Musto-Hosen im Abverkauf strapaziert Wolfgangs Budget auf das Äußerste – in diesem speziellen Fall hält Evi ihren Skipper ausnahmsweise nicht zur Sparsamkeit an und unterstützt sogar den Kaufrausch…

Über Molat ziehen wir weiter nach Norden an einen unserer erklärten Lieblingsplätze: die Artaturi Bucht auf Losinj. Warum es uns gerade dieser Ort so angetan hat, lässt sich schwer erklären – sicher ist jedenfalls, dass hier die Konsistenz des Sandes einen hervorragende Ankergrund abgibt.
Weit verbreitet ist neuerdings unter den Ankerliegern leider die Unsitte, Seevögel zu füttern, die schlüssigerweise zu einem „distanzlosen“ und unerschrockenen Verhalten der Tiere führt und in weiterer Folge zur Belagerung von Schiff und Dinghy. Problem sind natürlich nicht die Vögel selbst, sondern ihr allgegenwärtiges Stoffwechselendprodukt.
Zwei Nächte später segeln wir auf Halbwindkurs unter besten Bedingungen (auch das gibt es in der Adria) über den Kvarner nach Istrien und genießen ein paar Tage eine der wahrscheinlich schönsten Städte des Mittelmeers: Rovinj.

Das GPS weist noch knapp 50 nm in die Heimatmarina Stella auf, und der Krantermin ist bereits fixiert – die Reise geht zweifelsohne in ihre Schlussphase…
Der stabilen Schönwetterlage der letzten Tage folgt eine Störung mit ausgeprägten Gewittern, die unseren Aufenthalt in Rovinj im wahrsten Sinn des Wortes trüben. Während wir uns nach Novigrad verlegen, „folgt“ uns jenes Gewitter, dem wir eigentlich durch das Auslaufen nach Norden entkommen wollten, auf Parallelkurs entlang der Küste. Bei der Einfahrt nach Novigrad kommt es dann zum längst befürchteten „Überschneiden der beiden Kurse“, und so machen wir gründlich gereinigt unter „Blitzlicht“ an eine der Bojen fest.
Hier treffen wir die beiden Deutschen Angelika und Andreas, die in der Freizeit vorzugsweise auf ihrem Wharram Tiki 26 am Bodensee segeln und offensichtlich aktive Mitglieder der hiesigen Multihullgemeinschaft sind. Sie haben als erste auf unser Inserat, in dem wir „Sleipnir2“ zum Verkauf ausgeschrieben haben, reagiert und nach wenigen Tagen „imperativ“ bemerkt: „Sleipnir2 ja niemand anderem zu verkaufen…“

Jetzt verbringen sie drei Tage mit uns, um den Kat, den sie schon länger über die Homepage verfolgen, näher kennenzulernen. Wir segeln über Umag unter Spi an Lignano Sabbiadoro vorbei in die Laguna Di Marano, fahren schließlich die Stella flussaufwärts, um dann zwei Stunden später an den Dalben vor der Kranbox unserer Heimatmarina Stella festzumachen – die Reise ist tatsächlich und unwiderruflich zu Ende.
Besonders diese Flussfahrt, die den allerletzten Abschnitt dieser ereignisreichen Weltumsegelung darstellt, bringt Wolfgang ungewollt in eine sehr sentimentale Gefühlslage. Evi ist vollkommen ausgelastet, ihren lang gehegten Wunsch einer Flaggenparade umzusetzen und sorgt mit einigen Hoppalas dafür, dass keine Langeweile am Schiff aufkommt – jedenfalls muss Wolfgang öfter als einmal auf den Mast… Bereits am folgenden Tag wird „Sleipnir2“ aus dem Wasser gehoben, und es folgt ein ausführlicher Check des Kats, in dessen Rahmen die neuen Eigner auch die engsten und unzugänglichsten Winkel der Rümpfe inspizieren. Die Begutachtung leidet allerdings ein wenig unter den angekündigten sintflutartigen Wolkenbrüchen mit Gewittern. Am späten Nachmittag besuchen uns Ernst Köberl vom Österreichischen Hochsee Yacht Club, der ein großangelegtes Weltumseglertreffen Ende August am Grundlsee/Gössl organisiert, und Karl von der „Karo“ in Begleitung von drei Segelfreunden. Zu neunt feiern wir im strömenden Regen unter dem Sonnen/Regensegel im Cockpit der „Sleipnir2“ mit Prosecco unsere Rückkehr, und alle treten unter bester Laune den Beweis an, wetterfeste, naturverbundene Segler zu sein.

Letztlich verkaufen wir „Sleipnir2“ um 1 Euro plus einer vereinbarten Summe an Angelika und Andreas, die mit neuen „Sleipnir2“-Kappen zufrieden die Heimreise ihres „teuersten Kurzurlaubes“ antreten.
Wir bleiben zurück in der Marina Stella, ziehen mit gemischten Gefühlen aus dem Schiff aus und wintern den Kat ein.
„Sleipnir2“ liegt in Bestform auf dem angestammten Landliegeplatz, und der „Auszug“ ist nicht frei von Emotionen – fast zehn Jahre hat der Kat unser Leben geprägt, und der Name „Sleipnir2“ ist mittlerweile stark mit unseren eigenen Namen verknüpft. Nahezu viereinhalb Jahre haben wir auf dem Schiff gelebt, etwa 45.000 Seemeilen „gemeinsam“ zurückgelegt und wurden sicher über drei Ozeane getragen. Mit Angelika und Andreas als zukünftige Eigner sehen wir den Kat allerdings in sehr guten Händen.
Harti, wirklich einer unserer treuesten Freunde, hat sich wieder bereiterklärt, uns in Italien abzuholen – er schätzt als einziger das Gepäcksvolumen richtig ein und fährt mit geborgtem Voyager und entsprechendem Anhänger vor. Über den gewohnt herzlichen und gemütlichen Zwischenstopp bei unseren südsteirischen Freunden Sonja und Ramon kommen wir letztlich wirklich in Wien am Wolfersberg an – unser Leben als Landratten kann beginnen, die Homepage wird weiterlaufen.