San Vito bis Mahón

Wir beschließen abzubrechen. Für die Anfahrt der südöstlichsten Bucht Sardiniens gilt aufmerksame Ansteuerung. Wir haben nur Überseglerkarten für dieses Gebiet, daher kommen zum ersten Mal die elektronischen Karten von MaxSea zum Einsatz, und wir laufen trotz Neumondnacht ein.

Tags darauf unterbrechen wir, wieder wegen Westwinds, im Buchtsystem unmittelbar hinter Capo Spartivento. Eine mit 2m Tiefe ausgewiesene Durchfahrt scheint einen besseren Ankerplatz zu ermöglichen. Evi steht am Steuerbordbug, der Tiefenmesser zeigt 2,5m – was fehlt, ist die berühmte Handbreit Wasser unterm Kiel. Wir laufen vor Einbruch der Dämmerung – sanft wie auf einen Teppich – mit dem Backbordrumpf auf einen Seegrashügel auf (0,5m Wassertiefe). Ziemlich viel Adrenalin im Kopf und überall. Wir versuchen uns zweimal mit dem Jamboanker freizuwinschen – auf der Trosse könnte ein Elefant seiltanzen – aber keine Chance freizukommen. Erst die 300 PS Superschlauchboote der hiesigen Animateure ziehen uns von der Untiefe runter.

Selten waren 2 Flaschen vom Besten aus „Sleipnirs“ Weinkeller besser investiert.

Am nächsten Morgen bergen wir den – nach der Floatung geopferten – Jamboanker und fahren, von allem Übermut befreit, endgültig Kurs Menorca.

Am Ende der ersten Nacht legt der Wind aus NO auf 20 – 24 Knoten zu, die Wellen kommen allerdings, nicht der Windstärke entsprechend, haushoch angerollt (Sturm im Norden). Wir werden ordentlich durchgerüttelt, regelmäßig stechen beide Büge unter Wasser, und das gesamte Schiff wird überspült. Bei einem Zusammenstoß der Crewmitglieder erweist sich Evis Kopf als der härtere…

Mittags wird der, am Netz doppelt (!) gesicherte, Spinnaker aus seinem Sack gewaschen, das Segel zieht zwischen die Rümpfe und verfängt sich im Ruder der Windfahne. „Sleipnir“ wird von 7 auf 2 Knoten gebremst. Überraschenderweise können wir den Spi unversehrt bergen, aber die Klemme der Steuerleinen von der Windfahne ist gebrochen.

Also muss Evi von Hand steuern. In der Zwischenzeit wechselt Wolfgang die Klemme und die Leinen der Windfahne aus, während wir quasi Hochschaubahn fahren. Für jemanden, der beim Essen regelmäßig patzt und ständig etwas fallen lässt, geht hier sonderbarerweise keine Mutter oder Beilagscheibe verloren. Evi ist in ihrer Überraschung fast ein bisschen enttäuscht…

Um 04.30 stehen wir nach einem gesegelten Etmal von 136sm (inkl. Spi-Bergung) vor der Einfahrt von Mahón/Menorca. Wir fahren die ca. 4 km eingeschnittene Bucht bis zur Dämmerung mit Standgas aus ohne einen brauchbaren Ankerplatz zu finden, gehen an eine freie Boje und werden erwartungsgemäß gegen 10 Uhr mit einem freundlichen „hola“ geweckt. Die € 30 für die Boje sind für die Finanzchefin von „Sleipnir“ inakzeptabel, wir lehnen dankend ab und verlegen uns jetzt auf den Ankerplatz Cala Taulera hinter „La Mola“.

Ein internationaler Treffpunkt der Langstreckensegler, die österreichische Fahne weht allerdings nur bei uns.

Im Ort Mahón selbst, wo sich die Reichen und Schönen tummeln, hat man auf einer Länge von ca.1 sm jedwede Relation verloren und offenbar das Geld abgeschafft. Ein Liegeplatz für unser Boot würde, trotz ziemlicher Untertreibung bei den Größenangaben, deutlich über € 100 pro Nacht kosten.

Die nächsten Tage sind durch verschiedene Arbeiten am Schiff und dem Abwettern von Regen und Gewittern geprägt. Auch eine ausgiebige Besichtigung der Befestigungsanlage „La Mola“ steht auf dem Programm. Wir sind froh in den Balearen zu sein und wollen ab jetzt in kleineren Schritten weiterfahren.