Neuseeland: 4. Teil

In Picton besuchen wir Drago, Felicity und ihre Tochter Stephie, die wir mit ihrer Yacht „Capella“ im Rahmen unserer ersten Segelreise auf Lanzarote kennen gelernt und einige Monate später wieder vor Martinique getroffen haben. Die sehr erfahrenen Segler können von der Terrasse ihres Hauses auf die in der Bucht an einer Mooring liegende „Capella“ blicken, eine für uns Binnenländer besonders ungewohnte, aber beneidenswerte, Aussicht.
Wir verabreden uns für die nächsten Tage in Nelson, dem größten Fischereihafen Neuseelands, wo sie kürzlich ein Haus erworben haben, und Stephie an einer Nachwuchssegelregatta teilnehmen wird.

Bereits vor Wellington ist unser Automatikgetriebe wieder defekt geworden, und wir haben schon vor Tagen einen Termin bei einem Getriebespezialisten in Nelson vereinbart. Die erste Diagnose stellt uns eine absolut inakzeptable 3000 NZL $ Reparatur in Aussicht, und nach Überwindung des ersten Schocks setzen wir alle Hebel in Bewegung, um unsere Situation zu verbessern. Trotz erfolgloser Suche nach einem passenden, gebrauchten Ersatzgetriebe, die sogar über einen Radiosender läuft, gelingt es uns innerhalb von zwei organisatorisch intensiven Tagen mittels Wechsel der Werkstatt die Kosten wesentlich zu senken und unseren Autohändler in Whangarei von der moralischen Notwendigkeit einer Kostenbeteiligung zu überzeugen.

Für die einwöchige Wartezeit auf die Reparatur des Wagens dürfen wir uns bei Drago und Felicity einquartieren, während uns die Werkstatt einen – sagen wir – fahrtüchtigen Mazda zur Verfügung stellt. Am Wochenende beobachten, filmen und fotografieren wir wie Stephie, von ihren Eltern entsprechenden gebrieft, in der Optimistenklasse (Jolle für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahren) die Konkurrenz deklassiert und fünf aus sechs Wettfahrten gewinnt.
Zwischendurch treffen wir in Nelson den hier lebenden, ehemaligen Hochseefischer Kelly, mit dem wir erstmals auf den Kap Verden und nach der Atlantiküberquerung wieder in Tobago die Ankerplätze geteilt haben. Noch in der Karibik haben sich Kelly und seine Freundin Glennys, die er wohl zu oft als „Crew“ bezeichnet hat, getrennt – man ist aber übereingekommen, die Weltumsegelung quasi neben einander lebend gemeinsam zu beschließen. In Nelson finden wir den offensichtlich jung gebliebenen Fischer mit neuer – noch jüngerer – Freundin.

Wir stimmen mit den vielen Reiseführern überein, die Nelson als eine der lebenswertesten Städte in Neuseeland einschätzen, sind schließlich aber dennoch froh, von der Stadt an der Tasman Bay weiter zu ziehen, bevor wir hier endgültig Wurzeln schlagen.

Über Hokitika und dem Franz Josefs Gletscher (tatsächlich nach unserem völkerverbindenden Monarchen benannt) kommen wir in den Skiort Queenstown, der in der Nebensaison das Zentrum des Abenteuertourismus darstellt. Wir begnügen uns via Sessellift mit Go Kart Fahrten, treffen Kurt und Doris von der „Kurtisane“ und gestalten eine noble Weinverkostung so sparsam, dass der verblüfften Kassierein ein: „So eine Rechnung ist wirklich selten“ abringt.

Langsam gelangen wir in kältere Gefilde, haben wirklich kein Kleidungsstück zu viel im Gepäck und tragen Anorak, Wollhaube und Skisocken. Invercargill, das uns im Februar doch noch mit Weihnachtsdekoration überrascht, und sein Hafen Bluff sind für uns der Absprung über die Foveaux – Strait nach Stewart Island. Der Hauptort Oban ist die südlichste Siedlung Neuseelands und gleichzeitig die Einzige auf der Insel, wo 0,2 Einwohner/km2 knapp 4800 km vom Südpol entfernt leben, und der 6 Loch Golfplatz doch ein wenig grotesk anmutet. Am Pier beobachten wir die Fischer: wettergegerbte, aber offensichtlich freundliche Menschen, deren Sprache nur mehr andeutungsweise an Englisch erinnert.
Wolfgang beginnt fallweise in englischer Sprache zu träumen, wobei es sich möglicherweise nur um Träume über das Trauma von diversen Konversationen auf der Südinsel handelt…
Auf der Rückfahrt bekommen wir zu spüren, wofür die Roaring Forties stehen und sind beeindruckt, dass unsere Freunde Doris und Wolf – alias Seenomaden – mit ihrer Yacht „Nomad“ hier gesegelt sind.

Entlang der Südküste fahren wir ostwärts weiter, durch die so genannten Catlins, nach Dunedin, das keinen Zweifel an seiner schottischen Gründung und Verbundenheit lässt. Eine Gruppe junger Highlander devastiert unsere Lodge, die bald Ähnlichkeiten mit dem Fußballstadium nach einem Länderkampf Österreich – Schottland aufweist; wir fühlen uns allerdings vom Beruf weit entfernt und sehen keinen Bildungs- und Erziehungsauftrag unsererseits…
Abgesehen von der Baldwin Street, der laut Guinness-Buch mit 35% Steigung steilsten Straße der Welt, weist die Stadt kaum Attraktionen auf und ist ohnehin weniger der Grund unseres Aufenthaltes. Wesentlich mehr interessiert uns die außergewöhnliche Fauna der vorgelagerten Halbinsel Otago, mit den einzigen Brutplätzen von Königsalbatrossen auf dem Festland – sofern man Neuseeland als Festland bezeichnen möchte. Wir sehen diesen größten flugfähigen Vogel tatsächlich mehrfach in der Luft über das Kap gleiten, die Eintrittspreise zu den hermetisch abgeriegelten Nistplätzen sind Schwindel erregend.

Wenige Kilometer südlich der Albatroskolonie können wir die seltenen Gelbaugenpinguine bestaunen und zwei Autostunden weiter bekommen wir den Beweis, dass jene Verkehrsschilder, die seit einiger Zeit auf unserer Route vor querenden Pinguinen warnen, durchaus ihre Berechtigung haben. An einem Parkplatz nahe Oamaru wird uns angeraten, vor dem Losfahren sicherheitshalber einen Blick unter das Fahrzeug zu werfen, und tatsächlich halten sich drei Zwergpinguine wenige Meter von unserem Auto entfernt auf – wer wen verblüffter anstarrt, bleibt offen…
Für die kleinen, flugunfähigen Seevögel ist es eine Überlebensfrage, zwischen den hier weit verbreiteten Seehunden und Seelöwen unterscheiden zu können, da sie bei Letzteren auf dem Menüplan stehen.

Christchurch, bei weitem die größte Stadt der Südinsel, mit unübersehbarem britischen Charakter, ist für uns die schönste Stadt, die wir während der Tour besichtigen. Der nahe gelegene Hafen Lyttelton war Ausgangspunkt einiger Antarktisexpeditionen und hat noch eine – für den Tourismus in Funktion stehende – Timeball Station. Ein weithin sichtbarer Signalball wird um 1 pm Greenwich Mean Time (in den USA 12.00) fallengelassen und erlaubt(e) somit den Seeleuten im Hafen ihre Schiffschronometer exakt zu stellen. Die korrekte Zeitmessung an Bord eines Schiffes ist für die Bestimmung der Längenkoordinaten unerlässlich und hat bis Ende des 18. Jahrhunderts das komplizierteste nautische Problem dargestellt (wie die Maoris konnte auch Christoph Kolumbus nur den Breitengraden entlang segeln).

In Picton, wo wir wieder bei Drago, Felicity und Stephie aufgenommen werden, schließt sich der Kreis unserer Südinseltour. Wir setzen mit der Fähre über eine ungewöhnlich ruhige Cook – Strait, verbringen drei Tage in Wellington bei der „Zephyrantes“-Tochter Gail („…und wagt es nicht, euch ein anderes Quartier zu suchen…“) und besichtigen das einzigartige, interaktive Nationalmuseum Te Papa, sowie die derzeit in der Hauptstadt ausgestellte Terrakotta Armee aus China .

In großen Etappen fahren wir über Rotorua und Coromandel nach Norden und kommen nach 7 Wochen und mehr als 5000 gefahrenen Kilometern wieder „nach Hause“ in die Town Basin Marina von Whangarei zu unserem Schiff.
Der März wird im Zeichen von Arbeiten an „Sleipnir2“ stehen – mit einigen Auftragsreparaturen wurde während unserer Abwesenheit bereits unerwartet verlässlich begonnen.

Buchtipp: Für all jene, die an Navigation und dem historischen Problem der Zeitmessung auf Schiffen interessiert sind, empfehlen wir das Buch „Längengrad“ von Dava Sobel, das die wahre Geschichte des Uhrmachers John Harrison beschreibt, der eine auf See ausreichend genau gehende Uhr konstruierte, um das Problem des Längengrades zu lösen.