Neuseeland: 5. Teil

Für den 5. März werden Windspitzen bis 120 km/h Offshore mit ergiebigen Regenfällen prognostiziert, und Mittwochabends scheint tatsächlich die Welt unterzugehen.
Donnerstagmorgens verabschiedet sich in einer Windbö unser Sonnensegel innerhalb von Sekunden, und sintflutartiger Regen zwingt uns den ganzen Tag in die Kabine. Der Regen prasselt so laut gegen das Kabinendach, dass wir die DVD Filme nur per Untertitel verfolgen können…
Freitag ist der Spuk vorbei, und im lehmig braunen Hatea River schwimmen regelrechte Inseln aus Ästen sowie kleine Bäume. Ein mächtiger Ast verfängt sich im Heck unseres unbewohnten Nachbarschiffes, einer Catana (hochpreisiger südwestfranzösischer Katamaran), die wohl mehr als den zehnfachen Wert von „Sleipnir2“ darstellt. Evi befreit mit einer kleinen artistischen Einlage den Nobelkat mit dem Ergebnis, dass das „Gestrüpp“ mit der nächsten Flut in unserer Ruderanlage treibt…

An einem der wenigen regenfreien Tage begleiten wir den passionierten Sportschützen Horst in den hiesigen Schützenverein und bekommen eine Einschulung im Umgang mit Pistolen. Sowohl Evi als auch Wolfgang erweisen sich als überraschend treffsicher, bis Evi nach ca. 50 Schuss die Arme schwer werden, und sie sukzessive beginnt, den hinter den Zielscheiben liegenden Berghang abzutragen… Frauen tauchen angeblich selten am Schießplatz auf, und so hat sie ihre liebe Not mit dem Engagement ihres Instruktors.

Mitte März werden wir in der Norsand Werft aus dem Wasser gehoben, und somit stehen zwei ausgesprochen arbeitsreiche Wochen an unserem Boot an. Dank der gründlichen, intensiven Vereinbarungen und Vorbereitungen mit den verschiedenen Workshops herrscht während der ersten Arbeitswoche ein besonders geschäftiges Kommen und Gehen diverser Yachtspezialisten auf „Sleipnir2“. Die Nachbarn registrieren mit etwas Neid und leichter Bewunderung, wie – für Neuseeland untypisch – Termine eingehalten werden; aber unsere „europäische“ Art des Nachhakens und wiederholten Anrufens scheint die Kiwis zu motivieren, die penetranten, österreichischen Auftraggeber bald wieder loszuwerden…

Unsere unmittelbare Nachbarschaft besteht größtenteils aus Einhandseglern unterschiedlichsten Charakters:
Franzose Bernard war bei der Fremdenlegion und segelt seit elf Jahren durch den Pazifik, elf weitere Jahre könnten es ohne weiteres werden…
Der Walliser Mark hadert mit den Roststellen seiner riesigen Stahlyacht, mit der er auf den Philippinen Tauchausbildungen anbieten möchte – sollte das Schiff jemals fertig werden… Wenn sich der Australier Doug als guter Koch bezeichnet, erhebt auf Grund seiner Statur niemand auch nur den geringsten Zweifel.
Der Schweizer Ernst, der von hier entlang der Westwindzone direkt nach Kap Hoorn segeln will, löst die weit verbreitete Unsicherheit des hiesigen Linksverkehrs, indem ein nicht zu übersehender roter Pfeil auf der Windschutzscheibe seines Autos nach links weist… Die bunte Truppe wechselt sich täglich bei der Zubereitung des Dinners ab, und es ist geradezu rührend, wenn sie nachmittags ihre Abmachungen treffen.

Die Zeit unseres Aufenthaltes in der Norsand Boatyard fällt auch mit dem zweiten Neuseelandbesuch unseres Freundes Ernst zusammen, der wieder in Sachen Yachtkauf eingeflogen ist. Im Rahmen der diversen Seglertreffen, wie beispielsweise beim Sundowner auf dem gerade fertig gestellten Katamaran von Schelmi und Isabel, bekommt er mehr Ratschläge bezüglich Schiffskauf, als er verkraften kann (die beiden haben innerhalb von nur 2 ½ Jahren ihren Narai – Wharram in der Norsand Boadyard gebaut). Aber nach wenigen Tagen ersteht Ernst eine ausgezeichnet renovierte Mason 44, und auch wir leisten einen kleinen Beitrag zum erfolgreichen Abschluss seiner Mission. Eine Woche später fliegt Ernst mit Kaufvertrag und jeder Menger Aufgaben und Sorgen eines frischgebackenen Schiffseigners im Gepäck wieder nach Wien.

Obwohl wir etwa ein Drittel der Werftlieger kennen, gelingt es uns, diverse Plaudereien – die üblicherweise als getarnte Arbeitspausen eingelegt werden – zu vermeiden. Wir arbeiten im Akkord, verbrauchen fast einen Liter Aceton für die abendliche Hautreinigung, aber nach zwei Wochen wird eine nahezu in Bestform befindliche „Sleipnir2“ tatsächlich in ihr eigentliches Element geslippt.

Zurück in der Town Basin Marina holt vor allem Wolfgang die – in der Boatyard verpasste -Unterhaltung nach und braucht gelegentlich eine halbe Stunde für den etwa 100 Meter langen Pier bis zum Schiff…Evi bezeichnet ihren Skipper gerne als „Quassler“, was bei den Engländern mit „talkative guy“ etwas besser klingt, aber vermutlich aufs Gleiche hinauskommt.
Mitverantwortlich dafür ist die mittlerweile eingeflogene Crew des an unserem Steg festgemachten österreichischen Katamarans „Tahaa“, der die letzten Monate von Eignertochter Claudia bewohnt war. Mit Erich und Hans wird Wiener Dialekt und Schmäh gepflegt – eine „Sprachkultur“, die besonders Wolfgang ein wenig abgegangen ist, die er aber zweifelsfrei nicht verlernt hat.
Die Österreicherpräsenz innerhalb der Seglergemeinde in Whangarei ist ohnehin bemerkenswert – gleich vier Schiffe (3 Katamarane) unter Rot-Weiß-Roter Flagge warten hier die Taifunsaison im tropischen Pazifik ab. Im Cockpit von „Sleipnir2“ drängen sich an einem Nachmittag gleich drei österreichische Crews mit Vertretern von Vorarlberg über Oberösterreich bis Wien und beratschlagen sich im heimischen Jargon bezüglich der Anforderungen der nächsten Segelreviere.

Die staubigen und unangenehmsten Arbeiten am Schiff sollten Anfang April vorbei sein, und die To-do-Listen beginnen wirklich kürzer zu werden. Wir besorgen und ordnen Seekarten sowie Revierführer, kümmern uns um Visa, decken uns mit Medikamenten für die Malariagebiete ein und beginnen mit der Verproviantierung, solange wir noch Autobesitzer sind – wobei Evi einmal mehr ihr Talent beweist, ungeahnte Mengen von Dosen und Wasserflaschen im Boot zu verstauen.
In Neuseeland zieht unverkennbar der Herbst ein, und langsam aber sicher macht sich unter den Seglern Aufbruchstimmung breit. Wir bleiben aber in jedem Fall bis zum 20. April vor Ort, um Ernstis Freundin Dagmar nicht ganz uneigennützig willkommen zu heißen – sie wird schwer an Ersatzteilen für „Sleipnir2“ tragen…