Neuseeland: 6. Teil

Ab Samstag nehmen wir uns dann das ganze Wochenende frei, fahren nach Opua und genießen den Abend im Beach House Pub bei live Bluesmusik mit unseren Freunden Chris und Lyn von der „Zephyranthes“.
Wir schlafen auch auf der Superyacht und bewohnen mit zwiespältigen Gefühlen eine Gästekabine, die mehr Wohnraum aufweist, als wir auf „Sleipnir2“ insgesamt zur Verfügung haben…
Am nächsten Tag treffen wir im Yachthafen von Opua ungeplant viele Segler, mit denen wir über die meiste Zeit in Neuseeland kaum Kontakt hatten. Wir scheinen überhaupt den größten Teil der Marinabelegschaft zu kennen und baden regelrecht in der Gesellschaft von Freunden aus dem Pazifik. Es herrscht leicht nervöse Aufbruchsstimmung, und die Diskussionen wer, wann, wohin mit welcher Taktik ablegt – oder eben nicht, sind längst im Gange. Wetterguru Winfried steht diese Saison nicht zur Verfügung, weil er mit seiner Frau Ute einen Heimaturlaub in Planung hat, und aus Fiji werden innenpolitische Unruhen gemeldet, wodurch die Unterhaltungen noch etwas Würze bekommen.

Zurück in Whangarei werden wir von unseren Wiener Freunden Hans (kocht immer authentisch mit Schürze) und Erich mit Leberkäse, Speck und „Fleischlaberln“ versorgt. Die deftige Kost bringt Turbulenz in Evis gesunde Küche, aber die lange entbehrte heimische Küche ist ein paar Ausnahmen wert. Evi erteilt am Pier gelegentlich Nachhilfestunden für Englisch und wird mit Rum „bezahlt“, wodurch es hinsichtlich des notwendigen „Absackers“ (abschließendes hochprozentiges Getränk) an Bord zu keinen Engpässen kommt.

Das Konzept des österreichischen Katamarans „Ahu“ spricht uns besonders an – ein Schiff, das wir uns ohne weiteres für eine spätere Segelreise (steht allerdings in den Sternen) vorstellen könnten. Die Vorarlberger Jacqueline und Peter sind mit ihrer bescheidenen Art eher die Ausnahme innerhalb der Seglergilde, dafür kann ihre Erfahrung wirklich jedem Vergleich mit anderen Cruisern standhalten. Ende der 60er Jahre haben sie in Italien eine Segelschule geführt, Anfang der 70er Jahre eine Charterbasis gegründet, und die Zahl ihrer Atlantiküberquerungen ist längst zweistellig. Beim Erzählen eher unter- als übertreibend, muss man sie länger kennen, um nach und nach ihre Geschichte zu erfahren – im Vergleich dazu ist Wolfgang mit Schilderungen seiner wesentlich kürzeren Segelhistorie deutlich „freigiebiger“…

Horst von der „Albatros“ steht kurz vor der Entscheidung eine Marine–Schrotflinte zu erstehen, und Wolfgang begleitet ihn aus purer Neugier ins Waffengeschäft, was zur Folge hat, dass auch er von der Notwendigkeit eines Waffenkaufes überzeugt ist. Obwohl er seine Entscheidung sehr phantasievoll begründet (Abwehr allfälliger aggressiver Orcas), erntet er – am Schiff zurück – ein unmissverständliches „Njet“ der Bordfrau, das jede Argumentation nutzlos macht. Die geplante Aufrüstung auf „Sleipnir2“ bleibt also aus, über eine Jagd–Armbrust kann man reden…
Beim üblichen abendlichen Guinness diskutieren wir über die für uns sonderbar anmutenden Waffengesetze Neuseelands. Mit einer Visitor Licence um 25 NZL Dollar und zwei Passbildern stünde auch dem Zivildiener Wolfgang eine große Auswahl verschiedenster Waffen zur Verfügung.

Mitte April werden alle Segler zu einer Farewell Party geladen, deren Höhepunkt eine wirklich stimmige Maori Aufführung ist, und am folgenden Tag holen wir Dagmar (die Freundin von Ernst, der Ende März ein Schiff in Whangarei gekauft hat) in Auckland vom Flughafen ab. Nachdem wir unser Auto längst privat verkauft haben, bekommen wir für die Fahrt nach Auckland von einem der Workshops günstig ein Firmenauto geliehen – offensichtlich waren wir doch gute Kunden…

Die Meteorologen sehen bis Anfang Mai kein Wetterfenster: es regnet häufig, phasenweise mit stürmischen Winden, aber alles kein Vergleich zu jenem Tief, das gleich einer riesigen Zwiebel südlich des Polarkreises mit 950 hPa Luftdruck nach Osten zieht – ein Wert, den wir nie zuvor gehört oder gelesen haben.

Während des Wartens nimmt der Alltag der Segler in Whangarei bzw. an unserem Pier seinen geregelten Lauf. Die Arbeiten werden naturgemäß weniger oder verlagern sich. Dagmar erlebt Höhen und Tiefen bei der Einweisung in ihr Schiff und integriert sich in die Cruisergemeinde, Wolfgang spult sein Trainingsprogramm regelmäßig ab und widmet sich wieder konsequent der – etwas vernachlässigten – akribischen Zahnpflege, die ihm von „seiner“ Zahnärztin Gerlinde vor Abfahrt verordnet wurde.

Evi entlockt dem Laptop mehr und mehr Geheimnisse und wird als Autodidakt (Wolfgang ist noch immer „Computeranalphabet“) zu einer wahrhaften Spezialistin im Installieren verschiedenster Programme. Ein wenig Hilfe bekommt sie durch Weltumsegler Wolfgang von der „Moony“, aber vor allem durch Jacqueline von der „Ahu“. Die beiden Bordfrauen verstehen sich besonders gut und lösen gemeinsam hoch motiviert die Rätsel unterschiedlichster Installationsprogramme – vor allem das Airmail-Programm und das Einrichten der GPS–Maus auf dem schwierigen Betriebssystem Windows Vista.

Thema Nummer eins unter den Seglern wird das kaum durchschaubare und widersprüchliche Prozedere um das Einreichen des indonesischen Cruising Permits, das sinnvollerweise schon jetzt eingeleitet werden sollte. Für Verwirrung sorgen eine Reihe differierender Gerüchte, die nur einen gemeinsamen Nenner haben: unangenehme und teilweise saftig teure Auflagen der indonesischen Behörden. Evi hat sich als eine der Ersten durch den Dschungel von Anforderungen, Formularen und Überweisungen gekämpft und wird Anlaufstelle für diesbezügliche Anfragen teilweise ziemlich verzweifelter Skipper.
Ihren eigenen Skipper beschäftigen Probleme anderer Art. Nachdem schon vor Wochen ein Blutgefäß am linken Auge geplatzt ist, hat Wolfgang einen hier nicht näher erläuterten „Unfall“ mit einem Abfallcontainer, wodurch sein rechtes Auge in sensationell kurzer Zeit purpurfarben anschwillt – jedenfalls gleicht er einige Tage einem rekonvaleszenten Boxer. Für Hohn und Spott am Pier ist gesorgt, und auch die mit Wortwitz weniger veranlagten Segler, bemühen sich – entbehrlicherweise – um einen unterhaltsamen Kommentar.

Das Warten auf einen günstigen Zeitpunkt, um nach Fiji ablegen zu können, geht auf jeden Fall weiter – Gefahr für Langeweile besteht weiterhin aber nicht…