Kanaren bis Kap Verden

An diesem Tag setzen wir erstmals den Spinnaker, der uns dann für die nächsten 72 Stunden, mit Etmalen bis zu 157 sm, ordentlich voranbringt. Wenn der Kat nachts bei 20 Knoten Wind auf den beachtlichen Wellen zu surfen beginnt, würde so manches Seglerherz höher schlagen – als Eigner haben wir bei dem Schauspiel ambivalente Gefühle… Um unser Ziel – Mindelo – Samstag bei Tageslicht zu erreichen, müssen wir allerdings den Spi bergen um Geschwindigkeit aus dem Boot zu nehmen. Wir „garnieren“ das Manöver mit einem kleinen „Hoppala“…

So angenehm die Segelverhältnisse während der gesamten Strecke sind, stellt die Ansteuerung der Insel dann einige Anforderungen an uns. Hauptverantwortlich dafür ist ein offensichtlich orientierungsloser Frachter, dessen Nationalität wir in der Dunkelheit nicht ausmachen können. Zweimal von hinten aufkommend, verharrt er schräg achterlich von uns und blockiert – nahezu in Regattataktik – die Ansteuerung in die Bucht von Mindelo. Wolfgangs mehrmalige Aufforderungen über UKW, Kurs und Intention bekanntzugeben, entsprechen nicht mehr ganz den üblichen höflichen Funkumgangsformen. Aber der Funker ist offensichtlich ohnehin nicht im Dienst. Die Segelhandbücher warnen, dass die Windstärke im Kanal von Sao Vicente beträchtlich zunehmen kann – in unserem Fall heißt das: von 12 Knoten auf 29 Knoten wahren Windes. Der plötzliche Starkwind vereinfacht unseren „Positionskampf“ mit dem ’big ship’ nicht gerade. Die drehenden Sturmböen um die in der Einfahrt gelegenen Insel „Ilhéu dos Pássaros“ und der immer noch irrfahrende Frachter lassen auf der „Sleipnir2“ trotz Schlafmangels keine Müdigkeit aufkommen. Kurz nach Morgendämmerung erreichen wir schließlich eine immer noch böige Ankerbucht.

Nach 5 Tagen und 22 Stunden haben wir die Kap Verden erreicht Frische Fische gab es nur in Form von verirrten fliegenden Fischen an Bord – die Schleppangel wurde hingegen jeden Abend ohne jeglichen Widerstand wieder eingezogen. Wir haben uns auf diesem wenig frequentierten Abschnitt des Atlantiks teilweise sehr vereinsamt gefühlt: ohne Funkkontakt mit anderen Yachten, ohne andere Schiffe in Sicht zu haben und ohne Möglichkeit im Schadensfall an eine Küste zuzufahren, waren wir der Wasserwüste ausgesetzt. Schon bei unserer ersten Reise hat dieser Teil der Fahrt mentale Anforderungen an uns gestellt So alleine waren wir allerdings doch nicht: beim Aufklarieren des Schiffes entdeckt Evi noch zwei Wanzen, wie sie nur in unserer Heimatmarina Stella vorkommen – hier kann man hinsichtlich Durchhaltevermögen einiges lernen.

Der Ankerplatz von Mindelo bietet ein interessantes, buntes, von Individualität geprägtes Bild. Vor uns liegen eine finnische und eine amerikanische Yacht, neben uns Schiffe aus Norwegen, Frankreich und England. Hinter uns ankern die Kiwis Kelly und Glennys. Der erste Kontakt stellt nicht alle Crewmitglieder von „Sleipnir2“ zufrieden: “I’ve just had a look at your flag. Wolfgang, you are Austrian, but you are not, Eva. Your English is too good.” Nach einem gemeinsamen Nachmittagskaffee, der in einem launigen Abend endet, ist auch Wolfgang mit den Neuseeländern im “Reinen”…