Im Königreich Tonga

In den Gesellschaftsinseln – 1.Teil

Um die Einklarierungsformalitäten rasch abzuwickeln, gehen wir am berühmten Quay Bir Hakeim längsseits. Hier hat Bobby Schenk Wolfgang Hausner getroffen – oder umgekehrt, und Bernard Moitessier hat nach seiner legendären Segelreise (nonstop eineinhalb Mal um den Globus) hier festgemacht, den Klassiker „Der verschenkte Sieg“ geschrieben und als Protest gegen die Verkehrspolitik der Stadtverwaltung Bananenstauden am Straßenrand gepflanzt.

Im Jahr 2008 ist dieser geschichtsträchtige Platz im Hafen verwaist, und nur wenige Yachten liegen an den Moorings unmittelbar neben der Hauptstraße. Das Ankerfeld befindet sich heute fünf Seemeilen südlich zwischen der Marina Taina und dem Aussenriff. Treffpunkt der Seglergemeinschaft ist die tägliche Happy Hour in der Dinghy Bar pünktlich um 17:00.
Offen gestanden genießen wir ein bisschen die Verblüffung und die damit verbundene Anerkennung der anderen Boote mit dem kleinen, angeschlagenen Katamaran auf diesem Schlag nicht mitgehalten zu haben. Vier Tage bleiben wir vor Anker, waschen Wäsche, versorgen das Schiff, aber wandeln vor allem – wie alle anderen Segler – mit verklärten Augen durch das Schlaraffenland des Carrefour Supermarktes, dessen Angebot an Lebensmitteln keine Grenzen zu kennen scheint. Einzig die astronomisch hohen Preise bremsen uns in einen Kaufrausch zu verfallen.

Nahezu gleichzeitig mit uns läuft der österreichische Katamaran „Ishani“ in Papeete ein. Christoph, Anna und ihre Tochter Leoni sind in den Tuamotus auf ein Riff aufgelaufen, pumpen täglich größere Mengen Wasser aus dem Schiff und müssen – wie wir – aufs Trockene gehoben werden. Kein Renommee für die große Segelnation Österreich, wenn zwei beschädigte Boote unter Rot – Weiß – Roter Flagge am gleichen Tag nach Tahiti zur Reparatur ankommen.
Die „Ishani“ – Crew hat vor Jahren beim Ahnherrn (fast) aller österreichischen Blauwassersegler, Wolfgang Hausner, auf der „Taboo III“ einen dreiwöchigen Chartertörn gebucht. Wolfgang hat diesbezüglich natürlich Fragen über Fragen, und der arme Christoph muss anlässlich eines gemeinsamen Abends Rede und Antwort stehen.

Montag, der 4. August, ist unser längst vorreservierter Termin in der Technimarine Werft, und „Sleipnir2“ wird erstmals seit der Marina Stella wieder aus dem Wasser gehoben. Evi hat in der Vorbesprechung mit Charme und astreinem Französisch offensichtlich kleine Wunder bewirkt – man möchte die Arbeiten am Ende der Woche abschließen, bis dahin bekommen wir eine Wohnung und ein Firmenauto gratis zur Verfügung gestellt…
Mitte der Woche lädt uns Manager Alain Blin in ein exklusives Restaurant zum Abendessen ein. Im Rahmen dieses Dinners zeigt sich deutlich, dass wir die bevorzugte Behandlung seiner besonderen Wertschätzung Evis zu verdanken haben – Wolfgangs Anwesenheit wird quasi in Kauf genommen.
Die Arbeitswoche gestaltet sich ausgesprochen intensiv. Um 5:30 läutet unser Wecker, und um 7:00 beginnen auch wir unser Tagwerk in der Werft. Während Alfred und Rodrigo, die für die Reparaturen an unserem Kat zugeteilt sind, wirklich hervorragend arbeiten, versuchen auch wir unseren Beitrag zu leisten, die in den letzten Monaten angefallenen Probleme und Gebrechen am Schiff zu beseitigen.
Unter anderem schleifen wir das Unterwasserschiff und bringen neues Antifouling an, gönnen den Motoren neues Maschinen- und Getriebeöl, installieren neue Decksstecker, einen zusätzlichen Inverter und einen zweiten Tiefenmesser. Auch die teilweise schwer zugänglichen Bilgen werden von uns gereinigt und getrocknet – eine Arbeit vom Feinsten…

Das Aufschleifen der Rümpfe zeigt auf der Steuerbordseite einen etwa 3,5 Meter langen Riss und auf der Backbordseite mehrere Cracks, aber 6 Lagen Glasfasermatten außen, sowie 5 Lagen innen (in der Mittelkabine) machen unser Schiff mit Sicherheit solider als je zuvor.
Der gebrochene Befestigungsflansch der Windfahnensteuerung ist irreparabel und muss zur Gänze ersetzt werden.
Alfred informiert uns über jeden seiner Arbeitsschritte, ist höflich und zuvorkommend, aber selbst Evi scheitert die ganze Woche hindurch ihm nur das kleinste Lächeln zu entlocken – eine polynesische Ausgabe des großartigen Skispringers Janne Ahonen.

Das Wochenende gibt uns endlich die Gelegenheit die Insel mit unserem Firmenauto zu erkunden. Unser erstes Ziel ist der Pointe Vénus. In der westlich davon liegenden Matavai Bucht hat James Cook 1769 im Rahmen seiner ersten Entdeckungsreise auf der HMS Endeavour den Venusdurchgang beobachtet, und einige Jahre (1788) später lag der unglückliche William Bligh mit der HMS Bounty hier vor Anker. Drei malerisch gelegene Wasserfälle, ein weiterer Besuch eines Paul Gauguin Museums und natürlich der berühmte Markt in Papeete selbst runden unser Besichtigungsprogramm ab. Die Tour schließt bei der Happy Hour in der Marina Taina, und der Abend wird sehr lang…

Am Montag der nächsten Woche werden wir wieder in Wasser gehoben, und der größte Teil der Belegschaft kommt, um uns herzlich zu verabschieden – für viele scheint es eine angenehme Abwechslung gewesen zu sein, die beiden Amateure in den blauen Arbeitshosen in ihren Reihen aufgenommen zu haben.

Wir verlegen uns für eine Nacht an den eingangs bereits erwähnten Quay, um die in Auftrag gegebenen Segelreparaturarbeiten abzuwarten, danach setzen wir über nach Moorea, der Nachbarinsel Tahitis. Die Cook’s Bay beschert uns ein Wechselbad der Gefühle – einerseits liegen wir wieder in einer legendären Bucht, und die hoch aufragenden dicht bewachsenen Felsformationen sind eindrucksvoll, andererseits ist das Wasser schlammig braun, und eine kommunale Behörde klärt uns darüber auf, dass unser Ankerplatz – entgegen unseren nautischen Unterlagen – eigentlich in einer gesperrten Zone liegt. Aber Evi leistet wieder einmal Überzeugungsarbeit, und nachdem wir als einziges Schiff noch einen Tag bleiben dürfen, erkundigt sich unsere Nachbaryacht, “How did you sweet-talk this guy?“

Mit einem gemieteten Auto umrunden wir die Insel, besuchen unter anderem eine Ananasfarm sowie eine polynesische Tanzshow und segeln ein paar Tage später in die benachbarte Opunohu Bay. Der Anker fällt in kristallklarem Wasser hinter dem Außenriff, und die Bordfrau ist rundum zufrieden… Die Opunohu Bay ist unser letzter Stopp innerhalb der „Gesellschaftsinseln über dem Winde“ („Îles du Vent“) bevor es zur nordwestlichen Gruppe der „Inseln unter dem Winde“ („Îles sous le Vent“) weitergeht.