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Neuseeland: 2. Teil

Nach wenigen Tagen kaufen wir ein gebrauchtes Auto – nähere Beschreibung: schwarz und unauffällig – ein Pkw wie ihn ein Kind zeichnen würde… Wir machen uns auf die Suche nach der für uns passenden Werft, legen mit den verschiedensten Workshops einen ungefähren Zeitplan für die notwendigen Arbeiten an „Sleipnir2“ fest und verproviantieren uns im nahen Pak’nSave – dem neuseeländischen Hofer/Aldi. Bereits zwei Tage nach dem Autokauf bekommen wir unser erstes Strafmandat und sind nun endgültig ins hiesige Alltagsleben integriert…

Die Unkenrufe jener, die vor dem Regenloch Whangarei (oder besser: „Whangarain“) warnen, bewahrheiten sich leider – vorläufig zumindest. Von einigen Dauerliegern – am Steg herrscht ein bisschen Kleingartenatmosphäre – hören wir von einem strengen letzten Winter, und der Sommer zieht offensichtlich nur sehr zögerlich ins Land. Durchschnittlich regnet es an drei von vier Tagen, besonders die Nachttemperaturen machen den Eiskasten zur unwichtigsten Einrichtung an Bord, und das Leben auf dem Kat schränkt sich wesentlich ein.

Es dauert einige Zeit, bis Wolfgang die malerischen Laufstrecken entlang des Flusses bis hin zum Wasserfall ausgekundschaftet hat. Eine alte Holzplattform unmittelbar vor den an Dalben liegenden Booten, diverse Pfahlkonstruktionen und ein Baum mit starken, waagrechten Ästen werden als Freiluftkraftkammer für den längst überfälligen Wiederaufbau seines Körpers zweckentfremdet. Lediglich die teilweise unglücklichen, aufmunternden Kommentare der – in unmittelbarer Nähe der Trainingsstätte wohnenden – Boatpeople sind entbehrlich…

Am Christtag holen wir unsere österreichischen Freunde Ernst, seine Dagmar und ihre Schwester Sandra vom Flughafen in Whangarei ab. Der eigentliche Grund für Ernsts Neuseelandtrip ist die Suche nach einem geeigneten Schiff für sein nächstes Segelprojekt – einen längeren Törn in den Nordpazifik. Sein lang gehegter Wunsch ein Boot im Chartergeschäft zu betreiben, wird mit dem Schoner „Algarina“ diese Saison in der Adria anlaufen ( http://www.globalyachting.at ). Über interessierte Mitreisende freut er sich bestimmt.

Während Ernst, Dagmar und Wolfgang Yachten verschiedenster Bauart, Größe und Ausstattung näher unter die Lupe nehmen, sind Sandra und Evi bei den diversen Besichtigungstouren in der näheren Umgebung auf der Suche nach den besten Bildmotiven.
Zwischen der Sondierung des Bootsmarktes besuchen wir unter anderem die Kauriwälder mit den größten Bäumen Neuseelands, den Whangarei-Wasserfall, das Maori Dorf Rewa’s Village, diverse Urlaubsorte und bestaunen (bzw. benützen) natürlich die – von Friedensreich Hundertwasser gestaltete – öffentliche Toilette in Kawakawa – wohl eine der ganz wenigen ihrer Art, die auch eine Touristenattraktion darstellt…
Der Wahlneuseeländer Hundertwasser (eigentlich Friedrich Stowasser), der in unmittelbarer Nähe von Kawakawa begraben ist, kreierte auch die Koruflagge – jene inoffizielle Flagge Neuseelands, die einen sich entrollenden Farnwedel – ein Maorisymbol – darstellt.

Die auf „Sleipnir2“ abgelaufenen Signalkörper, die wir anlässlich des Sylvesterabends gleichermaßen als Funktionsüberprüfung abfeuern, sind die erste Enttäuschung des neuen Jahres. Nachdem beim Einsatz der Leuchtraketen die Verletzungsgefahr zweifelsfrei höher ist als die Chance, im Seenotfall auf sich aufmerksam zu machen, werden die restlichen Lagerbestände am nächsten Tag entsorgt.

Bald nach Abreise unserer Freunde kehrt wieder Alltag auf der „Sleipnir2“ ein. In Zusammenhang mit der für Mitte März erfolgten Reservierung in der Norsand – Werft legen wir die Termine mit Segelmacher, Schiffselektroniker, Yamaha – Dealer, Tankreiniger, Rigg – Checker und noch einigen anderen Workshops endgültig fest. Wir werden Stammkunden beim Bootsausrüster Stanley Marine, einem Eldorado für Gebrauchtteile. Nur drei Minuten Fußweg vom Liegeplatz entfernt entdecken wir bei Jack und Graeme unter anderem eine Mastwinsch und einen Spinnaker zu Preisen, die die angeschlagenen Bordkassa ein wenig schonen.

Der Jahresanfang ist auch Anlass, den unvermeidlichen Papierkrieg für die Verlängerung des Aufenthaltsvisums in Angriff zu nehmen. Nachdem sie die mangelhafte Geduld ihres Skippers gut einschätzen kann, übernimmt Evi diese undankbare Aufgabe und arbeitet sich durch mindestens 16 Seiten Antragsformulare, die oftmals rätselhafte Fragestellungen beinhalten. Von vielen Seiten, meist von erfahrenen Pazifikseglern, die seit Jahren zwischen den melanesischen Inseln und Neuseeland saisonbedingt „pendeln“, bekommt sie gut gemeinte Ratschläge – vorrangig jenen, die Angelegenheit nicht zu ernst zu nehmen. Evi ignoriert letzteren geflissentlich und entdeckt bald, dass sowohl sie, als auch ihre „Berater“, die falschen Formulare ausgefüllt haben und wird somit selbst zur Informationsquelle für das leidige Prozedere der Visumsverlängerung.

Nach dem Dreikönigstag findet nahe Opua eine große Geburtstagsfeier für Wetterlegende Winfried von der „Anna Maria“ statt. Man spricht deutsch: unter den mehr als 40 Gästen zählt man nur einen Schweizer und – inklusive Evi und Wolfgang – vier Österreicher, wobei einige Crews unter Schwarz – Rot – Goldener Flagge aus verschiedenen Gründen gar nicht kommen konnten… Der Dart – Wettbewerb (Wurfpfeilspiel aus England) im Rahmen des Festes sieht die „Sleipnir2“ – Crew auf dem zweiten und dritten Platz. Während Wolfgang mit dem Resultat hadert, strahlt Evi den weiteren Abend über ihre ungeahnte Treffsicherheit – leider nur ein bescheidener Trost für verpasste Chancen bei wichtigen Fußballspielen im ewigen Nationenstreit…

Bevor wir die lange geplante Erkundungstour, die uns um beide Inseln bis zum 46. südlichen Breitengrad führen soll, antreten können, wird an unserem Fahrzeug eine Reparatur des Automatikgetriebes notwendig. Der Autohändler stellt uns kurzfristig einen 200 PS Nissan gratis zur Verfügung, und obwohl wir das ungewohnte Fahrgefühl auskosten, gelingt es, die Polizei nicht auf uns aufmerksam zu machen. Mitte Jänner sind wir endlich bereit, als Touristen unsere neue „Wahlheimat“ zu bereisen.