Vanuatu: 2. Teil

Wir benötigen 1 ½ Tage, viel Energie und noch mehr Geduld, um einen Führer zu finden. Noel Escartes, unser erster Kontakt, lässt uns zwar im Stich, aber schließlich werden wir doch zu einem der Villages, über die langsam zur Gewohnheit werdenden Pfade Vanuatus, gekarrt.

Von Steinzeitniveau kann nicht mehr wirklich die Rede sein, aber der Nachmittag in diesem ursprünglichen Dorf ist ein Erlebnis der besonderen Art. „Die weißen Affen“ werden durch die Siedlung Unmet geführt, Männer und Kinder laufen mit uns mit, und es ist nicht ganz klar, wer hier wen mehr bestaunt.
In einem Buch über Melanesien wird bezeichnend von einem Leben jenseits der Zeit geschrieben – erst 4 Touristen waren in diesem Jahr vor uns hier, und ins Österreichische übersetzt wandeln wir durch ein zum Leben erwecktes Freilichtmuseum Asparn an der Zaya.

Dem Häuptling überreichen wir unsere letzten Kava-Wurzeln aus Fiji, einen besseren Griff hätten wir nicht tun können. Der Chief trägt das Bündel den ganzen Tag mit sich, und jeder – ob er will oder nicht – muss daran riechen.
Apropos Häuptling – bei seiner Amtsübernahme wird auf ausgehöhlten Baumstämmen getrommelt, nach diesem Anlass müssen sie – gemäß althergebrachter Riten – vom Urwald überwachsen werden. Nachdem „unser“ Stammesführer erst kurz im Amt ist, haben wir noch Zugang zu den Trommeln, die wenig überraschend als „Tamtams“ bezeichnet werden. Anschließend lässt es sich unser Guide nicht nehmen, sich in seiner traditionellen Kleidung zu präsentieren – es wird uns Geduld abverlangt, und wir sind überrascht, wie lange es dauern kann, um sich zu entkleiden…
Etwas später wird eine Tanzvorführung junger Männer dargeboten. Ein wenig spärlicher als bei unserem „Model“ ist der Penis in bunt fasrigen Bast gebunden, wird aber auch an einem breiten Rindenhüftgurt fixiert. Obwohl sehr zurückhaltend, fast schüchtern, haben die Tänzer Spaß, uns – insbesondere Evi – mit manchen Bewegungen ein wenig zu provozieren. Wolfgangs diesbezügliche Blödelei sorgt für allgemeine Begeisterung.

Frauen treten wenig in Erscheinung, sie halten sich die meiste Zeit in den Häusern auf. Evi wird in ein Küchenhaus geladen und darf bei der Zubreitung von Speisen auch fotografieren, das Betreten des Versammlungshauses der Männer, dem so genannten Nakamal, wird nur Wolfgang zugestanden.
Das Ende des Besuches bildet natürlich eine Kava-Zeremonie, erst nach Dämmerung sind wir wieder beim Schiff und legen tags darauf ab – Kurs Luganville auf Espiritu Santo.

Nach einem wirklich schönen Segeltag nähern wir uns der zweitgrößten Stadt und gleichzeitig dem wichtigsten Handelshafen Vanuatus – in Europa würde man eher von einem Straßendorf sprechen.
Evi fährt den Anker so gründlich in den gut haltenden Schlamm, dass Wolfgang am Bug stehend das Gleichgewicht verliert, „Sleipnir2“ liegt sicher vor Anker – Wolfgang fast auch.

Am folgenden Tag tauchen wir zur SS President Coolidge, dem weltweit größten derart leicht zugänglichen Schiffswrack. Die Coolidge war ein Luxusoceanliner der Zwischenkriegszeit, der während des 2. Weltkrieges als Truppentransporter eingesetzt wurde und jetzt vom Strand aus betauchbar ist – allerdings aus Sicherheits-, wohl aber auch aus Geschäftsgründen nur über eine Tauchbasis.

Entlang der Ostküste von Espiritu Santo machen wir noch am Champagne Beach, dem angeblich schönsten Strand Vanuatus Station und ankern mutterseelenallein in einer weiten Bucht, deren Wasser so klar ist, dass die Tiefe der Riffblöcke selbst vom Mast aus nicht einschätzbar ist. Während Evi mit dem Kat Kreise dreht, erkundet Wolfgang mit dem Dinghy das Terrain, schließlich ankern wir ca. 500 Meter vom Strand entfernt.

Unser letztes Ziel in Vanuatu sind die nördlich liegenden Banks Inseln, die noch zum Staatsgebiet gehören und die Grenze zu den Gewässern der Salomonen bilden. In der Waterfall Bay von Vanua Lava sorgt ein Zwillingswasserfall mit „Pool“ für eine malerische Kulisse. Einige Insulaner paddeln mit jenen Auslegerkanus zu uns, die außerhalb der Hauptinsel Éfaté den üblichen und wohl auch traditionellen Bootstyp darstellen – Außenbordmotoren besitzt hier niemand.
Wir besuchen den Chief, der mit einer Familie unmittelbar neben den Wasserfällen lebt, die Dinghyzufahrt ist im Revierführer als tidenabhängig und tricky beschrieben – stimmt! Für die Begrüßung werden wir an eine bestimmte Stelle im Haupthaus gewiesen, dann hält das Oberhaupt eine (sehr) lange Rede, deren Kernaussage darin besteht, dass wir sehr willkommen sind, und er sich für uns verantwortlich fühlt. Anschließend bekommen wir von der ganzen Familie zur Melodie von „God save the Queen“ ein Lied vorgetragen und Blumen ins Haar gesteckt – was auch bei Wolfgang erstaunlicherweise gelingt…
Das Haupthaus ist quasi als Yachtclub dekoriert, und wir entdecken tatsächlich eine Flagge des Österreichischen Hochsee Yachtclubs, beschriftet von unseren Freunden Doris und Wolf, bekannt als die „Seenomaden“. Doris hat vor kurzem gemailt, dass die Banks Inseln vor zwei Jahren der Höhepunkt ihres Vanuatu-Aufenthaltes waren – auch wir kramen natürlich nach unserer alten Nationalen und bemalen sie mit unseren Namen, um uns im „Yachtclub“ zu verewigen.
Die Frau und eine Tochter des Häuptlings demonstrieren uns die für diese Inseln berühmte Water Music, wobei durch die im knietiefen Wasser stehenden Frauen, mittels bestimmter Arm- und Handbewegungen, rhythmische Unterwassertöne erzeugt werden.

Eine großräumige Passatstörung verzögert die Abfahrt zu den Salomonen, so segeln wir zur nördlichsten Insel der Banks-Gruppe nach – ganz langsam – Uréparapara.
Ein im Osten durchbrochener Vulkankegel bildet eine einmalige Ankerbucht, und die permanent am Kraterrand hängenden Wolken sorgen für eine mystische Stimmung. Bei Ankunft sind wir von den Auslegerkanus der Dorfbewohner umringt, man zeigt uns den besten Ankerplatz zwischen den Riffen, und wir vertrauen auf local knowledge.
Der im Netz liegende Riesenwahoo, den wir während der Buchteinfahrt an Bord gezogen haben, wird bestaunt, Wolfgang schneidet die besten Rückenfilets heraus, der Rest geht an unsere „Platzeinweiser“ – zwei Stücke reservieren wir für den Antrittsbesuch beim Chief. Wie in Vanua Lava fehlt es den Leuten am Notwendigsten, man möchte handeln, und für eine Streichholzschachtel bekommen wir gerne einen Lobster.

Hier in Uréparapara sind die Menschen von der Außenwelt völlig abgeschnitten und von der Regierung scheinbar vergessen. Das Versorgungsschiff kommt einmal im Jahr in den Hauptort von Vanua Lava, wann weiß niemand genau. Über Frederik, der sich als „quasi Sekretär des Häuptlings“ für unser Wohlergehen verantwortlich fühlt, versuchen wir ein wenig durch Angelausrüstung, T-Shirts, Waschpulver, Corned Beef, Medikamente und vor allem durch Funkkontakt nach Vanua Lava zu helfen.
Wir sind gefangen von der Abgeschiedenheit des Ortes, dem „Bilderbuchdorf“ mit seinen strohbedeckten Bambushütten und von der Freundlichkeit der Bewohner, aber auch von den hier offensichtlichen, desillusionierenden Schattenseiten so genannter Paradiese – ganz bestimmt kein Platz, um krank zu werden, sich zu verletzen oder aufs Riff zu rutschen. Als Frederik vor unserer Abfahrt spät abends zum Kat gepaddelt kommt, um uns noch mit dem Nationalgericht Laplap – als kleines Dankeschön – zu versorgen, sind wir fast gerührt.

Am Sonntag, quasi nach dem Kirchgang, öffnet sich endlich das Wetterfenster, und wir gehen Anker auf, mit Kurs auf unseren nächsten melanesischen Inselstaat: die Salomonen.