In Australien

Vor der Einfahrt in die Torres Strait, bei Bramble Cay, lassen Wind und Seegang aber – wie angekündigt – nach und drehen auf Ost, sodass sich unsere Passage durch die einst wegen ihrer Korallenriffe, Klippen, Sandbänke und Inseln so gefürchtete Seestraße angenehm ruhig gestaltet. Diese berühmte Meerenge zwischen Cape York und der Südküste Neuguineas gehört größtenteils zum australischen Territorium Queensland und ist entsprechend gut befeuert. Die hier lebenden Torres Insulaner stammen von Melanesiern ab und gehören weder zu den Aborigines noch zu den Papuas – uns erinnern sie eher an Polynesier.

Ausgerechnet nachts an der engsten Durchfahrt zwischen Ackers Shoal und Kirkcaldie Riff kommt uns einer von erstaunlich wenigen Frachtern entgegen – dafür (wie leicht am Abstand der Seitenlichter zu erkennen ist) ein Kontainerschiff der größeren Kategorie. Da wir seit Port Moresby unter Windfahne steuern, wird das Ausweichmanöver heikel, und obwohl es sich in diesem Abschnitt nicht um ein Verkehrstrennungsgebiet sondern um eine Schifffahrtsroute mit vorgegebenen Kurslinien handelt, sind wir uns unserer theoretischen Vorfahrt nicht sicher. Über Funk erbitten wir ausnahmsweise Steuerbord an Steuerbord passieren zu dürfen, und der Kapitän scheint über diesen Vorschlag erleichtert, bestätigt grün an grün und wünscht uns noch eine gute Fahrt. Minuten später schiebt sich eine lange, schwarze Wand relativ knapp an unserem Boot vorbei, das uns in diesem Moment noch ein wenig kleiner vorkommt.

Am nächsten Morgen ankern wir vor Horn Island, und wenig später kommen fünf (!) australische Beamte für die Einklarierungsformalitäten an Bord. Ohne jeweils zu fragen, werden Taschen und Behälter geöffnet, und man wird – ob der umfangreichen Bordapotheke – schnell misstrauisch. Den Versuch, jedes einzelne Medikament auf seine Sinnhaftigkeit und Legitimität zu prüfen, geben die Zöllner nach etwa einer Stunde mit der lakonischen Bemerkung auf, dass die hiesige Apotheke vermutlich neidisch wäre. Von den Quarantänebeamten wird jedes einzelne Kunsthandwerk ausgepackt und besprüht, zwei Andenken (sowie unsere getrockneten Steinpilze aus Österreich) müssen wir leider abgeben. Letztendlich zahlen wir umgerechnet 200 Euro Quarantänegebühr (eine Mezzie in Anbetracht der Tatsache, dass wir am Wochenende 371 Euro dafür berappen hätten müssen), die acht Flaschen australischen Weins, den wir noch aus Neuseeland an Bord haben und einführen, werden nach kurzer Beratung großzügigerweise weder verplombt, noch versteuert. Nach mehr als zwei Stunden verlassen Zoll, Polizei und Quarantäne das Chaos auf „Sleipnir2“, die aussieht als hätte eine Bombe eingeschlagen.

Das beeindruckendste an Horn bzw. Thursday Island scheint die starke Strömung dazwischen zu sein, die Inseln selbst stellen eher einen Vorposten Australiens dar, wo die Versorgungslage enttäuschend wirkt, und möglicherweise strafversetzte Offizielle ihren Dienst versehen.
Nach drei Tagen lassen wir die Torres Strait hinter uns und segeln in die wirklich erstaunlich flache Aratura See, durch den Gulf von Carpentaria Richtung Darwin. Unser erster Fang im Indischen Ozean ist eine kapitale 15 kg Stachelmakrele, die zweite Leine spannt fast gleichzeitig noch ein wenig stärker, wir ziehen sie allerdings mit abgebissenem Vorfach ein – für den verbleibenden Törn bleiben somit die Angeln besser verstaut.

Australien überwacht das Küstengebiet wirklich akribisch, und so werden wir insgesamt sechsmal von Customs-Flugzeugen überflogen. Die interne Kommunikation der Behörde scheint Schwachstellen aufzuweisen, anders können wir uns nicht erklären, warum wir etwa alle 100 Seemeilen unseren Schiffsnamen, Crew, Abfahrts- bzw. Zielhafen und andere Angaben buchstabieren müssen – jedenfalls eine gute Übung für das nautische Alphabet – sollte diese notwendig sein.

Das Segeln entlang der australischen Nordküste selbst entspricht kitschigen Idealvorstellungen, und man könnte es bei dem leichten Seegang und achterlichen Winden wirklich genießen, wäre da nicht am Ende die, durch die starke Strömung bedingte, schwierige Ansteuerung von Darwin. Um in den Van Diemen Gulf und die anschließende Clarence Strait hinsichtlich der Tidenströme richtig einzufahren, haben wir zwar die Gezeitentafeln für Darwin, für die Bezugsorte Cape Don und Cape Hotham besitzen wir nur Tabellen vom August und müssen daher interpolieren. Das Timing stimmt genau, und wir bewältigen die Passage – entgegen 80%-iger Wahrscheinlichkeit (Bibelautor Jimmy Cornell: „Segelrouten der Weltmeere“) – innerhalb eines Tages. Wolfgang schwelgt euphorisch über ein perfekt gelöstes Gezeitenbeispiel, während Evi nüchterner mit „mehr Glück als Verstand gehabt“ kommentiert.

Zwei Tage liegen wir in der Fannie Bay vor Anker und müssen durch Taucher die (von der Quarantäne vorgeschriebene) Entmuschelung des Unterwasserschiffes vornehmen lassen, erst danach dürfen wir unseren Liegeplatz in der Bayview Marina im Sadgroves Creek beziehen.
Bedingt durch bis zu 7 Meter Tidenhub sind alle Marinas in Darwin nur durch Schleusung zugänglich – nach den Erfahrungen in Panama fühlen wir uns in der Bayview Lock ein bisschen wie in Minimundus, und mit Lockmaster Trevor, der die Marina als Einmannbetrieb managt, haben wir auf Anhieb ein besonders herzliches Verhältnis.

In den letzten Wochen haben Ankerwinsch, Kühlschrank und ein Inverter den Dienst quittiert, Darwin scheint uns der richtige Ort zu sein, die notwendigen Arbeiten durchführen zu lassen. Diese Rechnung haben wir im wahrsten Sinne des Wortes ohne die hohen Stundenlöhne im Land gemacht. Die Reparaturen von Kühlschrank und Inverter verschieben wir daher auf Singapur und überbrücken bis dahin mit einer 12 Volt Kühlbox und einem schwächeren Wechselrichter.

Auch der Tiroler Friedemann alias Fred liegt mit seiner „Thetis“ und österreichisch – deutscher Crew in der doch etwas abgelegenen Marina. Mit der ARC (Atlantic Rally for Cruisers) 2008 gestartet und im Eilzugstempo unterwegs, haben wir Fred, die Salzburger Georg und Margit, sowie die beiden Schwaben Hannes und Uli bereits in Port Moresby und Thursday Island getroffen. Mit den begnadeten Handwerkern Hannes und Uli ist Fred nach eigenen Angaben auf „solid gold“ gestoßen und er setzt wirklich alles daran, die beiden sympathischen Männer bis Singapur auf der „Thetis“ zu verpflichten. Leider veranlassen eine Reihe von Defekten am Schiff und kleinere gesundheitliche Probleme Fred, sein Segelabenteuer in Down Under zu unterbrechen und einen Heimaturlaub einzuschieben. Auch Hannes und Uli buchen drastisch um: nächstes Ziel Kathmandu/Nepal.

In Darwin treffen wir auch wieder Eva und Horst von der „Albatros“. Unsere „alten Freunde“ haben den diesjährigen Absprung von Neuseeland verpasst und erkunden jetzt im Zuge eines Plan „B“s Australien auf dem Landweg – nächste Saison soll es umso früher von Whangarei nach Fiji gehen. Wir lassen vergangene Zeiten aufleben und bekommen zudem einige wertvolle Tipps für den Besuch des Kakadu Nationalparks.

Wenige Tage später besuchen wir mit einem gemieteten Auto das Naturreservat, bestaunen die hohen Termitenhügel, bewundern die Felsmalereien der Aborigines in Ubirr und Nourlangie und erklimmen trotz sengender Hitze den ein oder anderen Outlook. Ein Dingo und ein kleines Känguru (Wallaby) queren unmittelbar vor unserem Auto die Straße – etliche totgefahrene Beuteltiere am Fahrbahnrand zeugen allerdings von offensichtlich häufigen Fehleinschätzungen seitens der Fahrer oder der Tiere.

Höhepunkt unseres Besuches im Kakadu Natioalpark stellt die Flussfahrt durch die Yellow Water Wetlands, die Teil des südlichen Alligator Rivers sind, dar – Heimat einer ungeheuren Vogelvielfalt und natürlich zahlreicher Krokodile (sogenannte „Salties“). Auch auf kurze Entfernung sind sie teilweise schlecht auszumachen, und so scheint sich der Spruch zu bewahrheiten: „Siehst du ein Krokodil, hast du fünf andere nicht gesehen“… Auch wenn sich der Name des Parks angeblich aus der Aborigine-Sprache ableitet, sind die vordergründigen Namensgeber hier so häufig anzutreffen wie in Wien die Tauben.

Zurück in der Bayview Marina bereiten wir uns langsam auf die Weiterfahrt nach West Timor/Indonesien vor. Leider bekommen wir immer wieder Mails von Yachten, die bei der Einreise in den riesigen Inselstaat durch die unglaubliche Korruption des Landes auf gravierende Probleme stoßen. Ein erfreulicheres Mail aus der „Ocean7“- Redaktion zeigt, dass eines von Evis Bildern als Cover für die Septemberausgabe (in der auch unser Fiji-Artikel erscheint) gewählt wurde. Wir sind sehr stolz und lassen es jeden wissen, ob es ihn interessiert oder nicht (- meist nicht).

Wir haben uns an das Stadtleben allzu schnell gewöhnt, und auch durch die Herzlichkeit der Aussies fällt uns der Abschied schwer. Ein Taxifahrer will uns einen Stadtteil zeigen, „den wir unbedingt sehen müssen“, schaltet den Taxameter aus und lädt uns zu einer kleinen Stadtrundfahrt ein. Der eigentliche Preis ist allerdings die Lebensgeschichte des guten Mannes, die wir in Kurzform präsentiert bekommen. Selbst Evi lernt ein neues australisch/englisches Vokabel: „chalky“ – als Verniedlichung für „Lehrer“ heißt frei übersetzt wohl „Kreidinger“… Abschließend besuchen wir noch einmal den Markt am Mindil Beach mit seinen unglaublichen Sonnenuntergängen und erstehen dort ein traditionelles Didgeridoo. Unser Lockmaster Trevor herzt uns zum Abschied und schenkt uns eine CD mit Weihnachtsliedern von Udo Jürgens („Ihr sprecht doch deutsch?“), dann geht es wieder durch die Schleuse, den Sadgroves Creek flussabwärts, einem neuen Kontinent entgegen.