Port Moresby und Mount Hagen

Den größten Teil des nächsten Tages verbringen wir an Bord und warten fatalistisch auf die Abfertigung von Quarantäne und Zoll, nützen aber den überraschend starken Internetzugang, um Flüge und Quartier für das Mount Hagen Fest zu buchen. Erst am späten Nachmittag dürfen wir vom Schiff und genießen umso mehr die gediegene, leicht imperialistische Atmosphäre des Yachtclubs, wo wir nach der langen Abgeschiedenheit gerne die feinen Pinkel spielen.

Das abendliche Clubleben wird von Weißen – vornehmlich Australiern und Neuseeländern – geprägt, die hier gleichsam ein Ghetto finden; nautische Themen oder marine Aktivitäten nehmen hier offensichtlich eine untergeordnete Rolle ein. Der (nach eigenen Angaben) einzige hier sesshafte Österreicher ist Jörg, der uns in seiner überschwenglichen Freude, sich seiner Muttersprache bedienen zu können, ein bisschen zu viel an Horrorgeschichten aus dem alltäglichen Port Moresby auftischt.

Von einem Besuch der „Realität“ außerhalb des Yachtclubgeländes wird jedenfalls dringend abgeraten, wir erkunden dennoch Downtown, das Museum, sowie den Botanischen Garten mit den Paradiesvögeln (vom Aussterben bedrohter Nationalvogel) und machen unsere eigenen Erfahrungen in den Straßen von Port Moresby. Das Kriminalitätsproblem, eine doch verbreitete Ablehnung gegenüber Weißen und eine Bedrohung von Gangs – sogenannter „Rascals“ – scheinen uns offensichtlich, von CNN wird die Hauptstadt von PNG als drittgefährlichste der Welt eingestuft. In den mehr als 700 Sprachen des Landes existieren keine Wörter für „Arbeitslosigkeit“, „Slums“ oder „Umweltverschmutzung“, eine nette Metapher für die Ohnmacht der Regierung bei der Problemlösung…
Ungeachtet dieser Tatsachen begegnen uns die meisten Menschen trotzdem ausgesprochen freundlich; eine Hand, die nach Evis Rucksack greift, ist glücklicherweise langsamer als Wolfgangs Arm – bleibt aber die Ausnahme.

Nach drei Tagen fliegen wir mit gemischten Gefühlen nach Mount Hagen zum Kulturfestival, wo 160 verschiedene Stämme aus allen Teilen des Inselstaates ihre traditionellen Kostüme, Tänze und Gesänge im Wettstreit präsentieren. Zwei Tage zuvor ist eine Maschine der Airlines PNG abgestürzt, und am Flughafen erfahren wir, dass die unzureichende Wartung der Flugzeuge allgemein bekannt ist, und es vereinzelt zu Unfällen kommt…

Unsere Lodge in Mt. Hagen entspricht nicht annähernd den astronomischen Preisen, und einige Kostenpunkte werden nach – sagen wir – engagiert geführten Streitgesprächen mit der Hotelleitung revidiert. Wir befinden uns in Papua Neuguinea, der Fremdenverkehrsslogan „Erwarten Sie das Unerwartete“ erweist sich als treffend, und das angereiste ZDF-Team hatte angeblich auch schon leichtere Einsätze – am stärksten repräsentiert ist natürlich die BBC.

Die Show selbst stellt aber alles in den Schatten und ist eine der intensivsten und außergewöhnlichsten Erfahrungen, die wir je auf Reisen machen durften. Die wenigen internationalen Touristen können sich uneingeschränkt während der Vorbereitungen der Gruppen im Terrain bewegen und fotografieren – Evi ist in ihrem Element und wächst fototechnisch über sich hinaus.

Nach dem Einmarsch der Tänzer, der ein wenig an eine Sportgroßveranstaltung erinnert, und einigen entbehrlichen, aber wohl unvermeidlichen Ansprachen der Organisatoren bis hin zum Gouverneur, haben wir wieder unmittelbaren Zugang zu den Akteuren. Jeder Stamm versucht die anderen durch Gesänge, Tänze und verschiedenste Darbietungen lautstark und unermüdlich zu übertrumpfen, und wir sehen uns von einer gewaltigen Klangkulisse und Farbenpracht traditionellen Schmucks umringt. In diesem Meer aus Federn, Muscheln, Bast, Stroh, Fellen und Leinen ist unsere Aufnahmefähigkeit bald erschöpft, und wir wissen kaum noch, wohin wir unsere Blicke lenken sollen. Ob Frauen oder Männer, die meisten Gesichter sind mit grellen Lehmfarben geschminkt, nur wenige Gruppen, darunter die aus dem Asaro-Tal stammenden „Mud Men“, haben – etwas morbid anmutend – einfärbig, passend zu ihren Tonmasken, den nahezu nackten Körper mit grauem Lehm „dekoriert“.

Etwa ein Drittel der sogenannten Singsing-Gruppen besteht ausschließlich aus Frauen, und selten hat man so viele nackte Brüste im Takt der Musik „in Bewegung“ gesehen. Wolfgang wird schon viel Selbstdisziplin abverlangt, um seine Videokamera ruhig zu führen und die Einstellungen nicht zu verwackeln… Besonders die weibliche Belegschaft der Engan Cultural Group, die letztlich als Sieger hervorgeht, versteht es, ihre üppigen femininen Reize dem Rhythmus ihrer Trommeln anzupassen (dass in der Jury nur eine Frau sitzt, sei hier völlig zusammenhanglos erwähnt). Ihre breitkrempigen schwarzen Hüte sind aus Menschenhaar gewoben und haben eine entsprechend lange Fertigungsdauer. Fairerweise sollten wir bemerken, dass sie – wie auch ihre männlichen Pendants – auch unsere Favoriten waren.

Die geringe Zahl internationaler Touristen wird auf die weltweite Wirtschaftskrise zurückgeführt, und vermutlich bedingt durch die kleine Auswahl schaffen wir es sogar, zusammen mit Peter und Irene, auf ein Bild in der Montagsausgabe des PNG Post Couriers.

Die spärliche Einrichtung unserer Lodge stört uns letztlich wenig. Abends sind wir völlig erschöpft, schaffen es gerade, die Unzahl an Fotos auf den Laptop zu überspielen und die Akkus neu zu laden; der Umstand, dass das Hotel wegen der hohen Kriminaltitätsrate nicht verlassen werden darf, fällt gar nicht auf.

Nach 3 Tagen sind wir wohlbehalten zurück im Yachtclub, versuchen die Eindrücke zu verarbeiten und bereiten das Boot auf die nächsten Etappen vor. Die Segelreparaturen verlaufen letztlich zufriedenstellender als befürchtet, für die Steuerleine des Windpiloten scheint es allerdings in der ganzen Stadt keinen adequaten Ersatz zu geben – wir treiben jedenfalls nur minderwertiges Tauwerk auf.
Bei PNG Art, einem wertvollen Geheimtipp, verfallen wir schließlich noch, ob des übergroßen Angebotes und der humanen Preise, in einen regelrechten Kaufrausch, ohne die Ladekapazität unseres Kats zu berücksichtigen. Wir erstehen Masken, Penisköcher und einen etwa 1 Meter hohen Papua-Krieger, der von Irene spontan „Moresby“ getauft wird.

Wolfgangs zusätzliches Andenken an Mount Hagen ist eine – zu Beginn verharmloste – Magenverstimmung, woraufhin Evi hinsichtlich baldiger Weiterfahrt strenge, Alkoholverbot implizierende Diät verordnet. Den launigen Clubabenden mit Peter und Irene von der „Catspaw“ und kürzlich eingelaufener österreichischen Yacht wohnt er mit Papua-Tee und schmackhaften Suppen bei – es wird höchste Zeit, den Pazifik hinter uns zu lassen und durch die Torres Strait nach Australien zu segeln…