Thailand

Während der zweiten Nachthälfte ändert ein großer Fischkutter seine Richtung und geht auf Kollisionskurs mit „Sleipnir2“. Nur unter Motoreinsatz können wir einen Zusammenstoß verhindern, kurze Zeit später verschwinden seine Positionslichter in der achterlichen Kimm. Zu Annäherungen dieser Art kommt es meist aus Neugierde oder der Hoffnung auf ein Päckchen Zigaretten (wovon auch bei Nichtraucherschiffen stets ein Vorrat an Bord sein sollte), nicht selten werden solche Situationen als vermeintliche Piratenübergriffe interpretiert, und es wird nur allzu schnell zur Waffe gegriffen.

Wir erreichen das weiträumige Ankerfeld von Ao Chalong mit seinem weißen Leuchtturm im Süden Phukets am frühen Nachmittag und ankern unweit des österreichischen Katamarans „Ishani“, den wir zuletzt vor mehr als einem Jahr in Tonga getroffen haben. Bald ist die Crew Christoph, Anna und Leoni bei uns an Bord, und die zahlreichen Erlebnisse des abgelaufenen Jahres, die wir gegenseitig schon aus den Funknetzen kennen, werden noch mal „aus erster Hand“ geschildert.

Die „Ishani“ wurde in Flores/Indonesien von einem „herrenlosen“ Aluminium-Dinghy regelrecht torpediert, und der Schaden in Form eines notdürftig abgedichteten Riesenlecks knapp über der Wasserlinie des Backbordrumpfes spricht für sich…
Auch die schweizer Yachten „Chenoa“ und „Styrr“ liegen vor Anker und bieten an, unser Anlasserproblem unter die Lupe zu nehmen. Die beiden Skipper Hans-Jörg und Martin sind tatsächlich auf allen handwerklichen Gebieten firm – wie es eigentlich jeder Blauwassersegler sein sollte – und befreien uns schließlich von den Motorsorgen im Handumdrehen.

Vermutlich seit den Kanaren haben wir Massentourismus in dieser Form wie hier in Phuket nicht mehr erlebt: allerorts Bars, Restaurants, Diskotheken, Massagesalons in jeder Variante und natürlich die vielen wohlriechenden, bezaubernden Prinzessinnen Südostasiens – oft in Begleitung weitaus weniger attraktiver, teilweise tätowierter und meist adipöser Herren. Warum viele dieser Männer trotz feenhafter Begleitung mieselsüchtig und grimmig auftreten, bleibt wohl ein ungelöstes Rätsel – an den Preisen kann es kaum liegen.
Wenn Figur und Schritt der „Thaifrau“ zu perfekt scheinen, sollte man(n) einen zweiten Blick riskieren, die Gefahr den Reizen eines Ladymans zu erliegen, ist dann besonders gegeben – diesbezügliche peinliche Überraschungen werden wohl keine Seltenheit sein.

Der Schwell und das trübe, schmutzige Wasser der Ao Chalong Bucht lädt nicht zum längeren Verweilen ein, und wir verlegen uns in die idyllische Nai Harn Bay – Schauplatz der legendären Weihnachtsparty in der Ao Sane Beachbar, die sogar im „Lonely Planet“ Erwähnung findet. Das Weihnachtsfest mit Buffet, Live Musik, Feuerwerk und „Heißluftdrachen“ lässt tatsächlich keine Wünsche offen, und am Vormittag des Christtages ist es im Ankerfeld auffällig ruhig.

Christoph und Wolfgang besuchen am nächsten Tag eine Thaiboxveranstaltung – die in Polynesien übliche Aufforderung zur aktiven Teilnahme des Publikums (im Pazifik natürlich Tanzveranstaltungen) bleibt hier – Gott sei Dank – aus…

Wir beschließen letztlich in der angenehmen Atmosphäre der Nai Harn Bucht zu bleiben und organisieren unsere Besorgungen und Besichtigungstouren von hier aus via Moped. Obwohl Evi, im Gegensatz zu Wolfgang, im Besitz eines Motorradführerscheines ist, unternimmt Wolfgang ausgerechnet hier seine ersten „Gehversuche“ an dem von ihm bis dato aus Sicherheitsgründen gemiedenen Zweirades. Nachdem er den Vermieter zunächst fast „niederfährt“, präsentieren sich die thailändischen Straßen nicht gerade als Verkehrsgarten und geben wenig Zeit zum Eingewöhnen. Es dauert aber keinen Tag, bis Wolfgang die richtige Ellbogentechnik im Kreisverkehr und eine etwas dynamischere Innenlage in den Kurven der Küsterstraßen entwickelt, sodass Evi bald Zweifel hinsichtlich ihrer Entscheidung nicht selbst zu fahren aufkommen.
Unser Besichtigungsprogramm zum großen Buddha auf dem Hügel über der Bucht (inklusive Ritt am Dickhäuter), zum Chalong Tempel und zu den Buchten an der Westseite Phukets, bis zur berühmten, wirklich „lebhaften“ Sin City – Patong – spulen wir aber unfallfrei ab.

Eine Unzahl von verschiedenen, oft widersprüchlichen Theorien und Taktiken hinsichtlich der Weiterfahrt in das Rote Meer tragen zur Verwirrung innerhalb der Yachtgemeinschaft bei. Es formiert sich allerdings bereits hier ein Konvoi von Booten für den heiklen, etwa 600 nm langen Abschnitt zwischen Salalah/Oman und Aden/Jemen. Wie hoch der Sicherheitsaspekt dieses Unternehmens einzuschätzen ist, wird natürlich sehr unterschiedlich bewertet. Wir sind jedenfalls eingecheckt und mit einer steigenden Zahl von Booten in Verbindung, die ebenfalls eine Teilnahme fest eingeplant haben.

Das Gebiet zwischen Langkawi und Phuket ist Stammrevier zahlreicher Segelaussteiger, die hier gleichsam eine neue Heimat gefunden haben und saisonal zwischen Europa und Südostasien pendeln. Die meisten Crews, die Thailand bzw. Langkawi von Neuseeland oder Australien kommend erreichen, sind ausgepowert und liebäugeln gerne mit der günstigen Möglichkeit, hier eine einjährige Pause vom Langstreckensegeln zu nehmen. Am Neujahrstag liegen gleich 6 Yachten unter österreichischer Flagge in der Nai Harn Bay, und 3 weitere Boote befinden sich in der unmittelbaren Umgebung – so ist das Binnenland zumindest für kurze Zeit eine der stärksten Nationen im Revier.

Wir feiern Sylvester mit der „Ishani“ – Crew und Erich von der „Tahaa“, diskutieren beim Sundowner auf der „Golden Tilla“ mit Wolfgang und Ulli über die heimische Blauwasserszene und lassen uns von Gerhard und Elizabeth von der „Baloo“ einen Tag lang in die diversen Lokale der näheren Umgebung „entführen“.

Schließlich bekommen wir noch Besuch von Peter Herzog (einem ehemaligen Schüler Wolfgangs) und seiner Frau Ewelina, warten auf das Eintreffen unserer neuen Bankomatkarten, dann neigt sich der Aufenthalt in Thailand langsam dem Ende zu. Die „Sleipnir2“ – Crew hätte sich auch eine Auszeit von der Auszeit verdient, aber die Vorbereitungen für den 1100 nm Törn nach Sri Lanka sind abgeschlossen, und es gilt wieder Segel zu setzen.