Sri Lanka

Durch Flauten und ungünstige Strömungen bedingt verbrauchen wir unverhältnismäßig viel Treibstoff, aber die rasch aufschließende Yacht „Tuatara“ bietet über Funk zumindest 25 Liter Benzin an. Wir stimmen einen Treffpunkt auf See ab und übernehmen zwei Kanister Sprit, indem sich Wolfgang mit dem Dinghy an einer langen Trosse zur achterlich aufkommenden „Tuatara“ treiben lässt, während Evi „Sleipnir2“ auf Kurs hält. Der Buganker der 15 Meter langen, massiven neuseeländischen Yacht stampft bedrohlich über Wolfgangs Kopf, aber die Übergabe gelingt, und von diesem Zeitpunkt an haben wir natürlich auch wieder Wind…

Auf dieser Strecke betreibt Wolfgang erstmals ein kleines sechs bis acht Boote umfassendes Funknetz als Net Controller und macht seine Sache wirklich lausig. Im Laufe der Zeit findet er unter Evis Kritik allerdings die richtige Mischung aus Position Reports, Information und Small Talk. Zeit für Praxis bleibt genug, da wir trotz eines abschließenden 152 nm Etmals 11 Tage benötigen, bis „Sleipnir2“ vor dem Hafen von Galle ankert, um auf die Clearance der Navy zu warten. Das Prozedere des Einklarierens gestaltet sich aufwendig, und bis Immigration, Health Officer, Customs, Security und der zwingend vorgeschriebene Agent ihre Stempel und Unterschriften unter zahlreiche Formulare gesetzt haben, vergeht ein halber Tag – unsere tauben Ohren gegenüber den aufdringlichen Forderungen nach diversen hochprozentigen „Geschenken“ beschleunigen den Ablauf auch nicht gerade.

Der Wachturm am Wellenbrecher erinnert sehr an jene der einstigen Berliner Mauer, die Flakgeschütze im Hafen selbst sind 24 Stunden personell besetzt, und ein Heer von offensichtlich unterbeschäftigten Sicherheitskräften bevölkert das Gelände – kaum zu glauben, dass der Bürgerkrieg im Land seit Mai 2009 offiziell beendet ist. Immerhin hat man die nächtlichen Detonationen von Unterwassersprengkörpern in der Hafeneinfahrt eingestellt, die Attacken tauchender Tamil Tigers verhindern sollten, nachdem ein diesbezüglicher erfolgreicher Angriff der Widerstandsgruppe 2006 drei Segler getötet und zwölf andere verletzt hat. In Galle Harbour darf aber nach wie vor nur untertags eingefahren werden, und – wie bereits oben erwähnt – muss auf die Freigabe eines entgegenkommenden Militärbootes gewartet werden. Um das Hafenareal betreten oder verlassen zu dürfen, ist jedes Mal ein Passierschein am akribisch bewachten Schranken vorzuweisen – wir glauben einen Eindruck von der Beweglichkeit in Österreich während der Besatzungszeit zu bekommen.

Das schmutzige Wasser in Galle und die mühsame Verproviantierung sind allerdings nicht der Grund unseres Stopps in Sri Lanka, vielmehr planen wir neben einer Besichtigung des hiesigen Forts und der Moschee eine mehrtägige Tour zumindest durch den Südteil des seit 1972 von Indien unabhängigen Inselstaates.

Mit Jean und Alan von der „Tuatara“ – zwei Kiwis wie aus dem Bilderbuch – mieten wir einen Van mit Fahrer und verbringen den ersten Vormittag entlang der malerischen Südküste, bestaunen die hier typischen „Stickfishermen“, den Leuchtturm von Matara (mit seinem schwer erstiegenen Ausblick) und natürlich die farbenfrohen Proas der lokalen Fischereiflotte – den Besuch des weitläufigen Buddhatempels in Dickwella überlassen Alan und Wolfgang den Frauen.

Auch wenn die Elefanten und Wasserbüffel an den Flussläufen im Uda Walawe Nationalpark und der kaskadenartige Wasserfall im Hochland sehr beeindruckend sind, stellt sicherlich die Bahnfahrt durch die Teeplantagen bis auf eine Höhe von letztlich nahezu 2000 Metern über dem Meeresspiegel den Höhepunkt des Trips dar – erstmals seit Neuseeland fühlen wir uns leicht unterkühlt.

Die Besichtigung einer Teefabrik ist obligat, bevor wir am Ende des zweiten Tages den Touristenort Kandy erreichen und abends noch die vielfältigeTanzveranstaltung des Kandy Lake Club Dance Ensembles besuchen. In Kandy steht eine der wichtigsten heiligen Stätten des Buddhismus, der sogenannte „Zahntempel“, der einen orginalen Zahn des Religionsgründers in einer Pagode bewahrt. Nach der Anzahl weiterer Tempel mit Zähnen Buddhas zu schließen, muss der ehemalige Prinz Siddhartha über ein bemerkenswertes Gebiss verfügt haben…

Nach kurzen Stopps bei verschiedenen Gemüse- und Obstmärkten treten wir am dritten Tag die lange „Heimfahrt“ an. Mehrfach müssen wir unseren allzu sportiven Fahrer zügeln – dass weder wir noch andere Teilnehmer im wirklich chaotischen Verkehr zu Schaden kommen, bleibt ein Wunder.

Im Hafen zurück erleben wir ein Wunder anderer Art. Zwischenzeitlich hat sich das Feld der Yachten verdichtet, und der Riesenkat „Neverland“ (20 Meter lang – 10 Meter breit) liegt raumgreifend über unseren beiden Ankern. Die Mannschaft um Profiskipper Alvin – wir kennen ihn aus Neuseeland – ist laut Auskunft der Ankernachbarn für die nächsten drei Wochen nach Deutschland geflogen, wir bekommen aber Hilfe angeboten, um uns am nächsten Tag aus der „Falle“ zu befreien. „Bibelautor“ Rod Heikell ist seit den 70er Jahren ein Fixstern in der Yachtszene, Jean und Alan besitzen seit 30 Jahren Segelschiffe (die „Tuatara“ ist ihr 9. Boot) und Trudy und Geoff von der „Stream Spirits“ wissen auch, was zu tun ist. Aus der Sicht des verschlafen aus der Kabine torkelnden Alvins wird rund um seinen Kat allerdings dilettantisch agiert, wobei er selbst nicht bereit ist, Ankerkette einzuziehen oder an seinen Heckleinen mitzuarbeiten. Während wir letztlich erfolgreich unsere Anker aufholen und im freien Hafenwasser neu ankern, hält Alvin Exkurse über Ankersituationen in der Nordsee…? Der an sich erfahrene Profiskipper sieht in der Wahl seines Liegeplatzes keinen Kritikpunkt und schlägt im offensichtlichen Versuch sein Gesicht zu wahren verbal schwer nachvollziehbar und etwas grotesk um sich.

Der Abschied von Galle/Sri Lanka fällt daher umso leichter, und 450 nm weiter im Westen warten ohnehin die traumhaften Atolle der Malediven.