Singapore

Wir verlassen die Marina mit dem ersten Tageslicht und fahren mit Schiebestrom entlang der südlichen Inshore Traffic Zone, um dann bei Raffles Lighthouse die Schifffahrtsroute zu queren. Faszinierend ist die Abgebrühtheit einiger Locals, die in kleinen Booten zwischen den Tankern fischen. Am nördlichen Rand der Singapore Strait arbeiten wir uns mühsam entlang der einzelnen Häfen und deren Reeden Richtung Raffles Marina.

Der ein- bzw. auslaufende Verkehr von den verschiedenen Ankerzonen der Frachter in das Fahrwasser, sowie die zahlreichen Schleppverbände erfordern eine konzentrierte Bootsführung, und die Stimmung auf „Sleipnir2“ ist daher ein wenig unentspannt… Entsprechende Wolkenformationen bauen sich über der Stadt auf, und wir müssen im Laufe des Nachmittags mit starken Gewittern rechnen, leider rückt die bereits in Sicht befindliche Marina durch die Gegenströmung kaum näher.
Keine 15 Minuten nachdem wir neben unserem „alten“ Freund und Trauzeugen „Galateia“–Wolfgang in der Marina festgemacht haben, entlädt sich das Gewitter direkt über dem Yachthafen. Ein Blitz schlägt in die nahe der Einfahrt liegende 62 Fuß Oyster „Sundancer 2“ ein, die nicht minder große Swan „Astra“ nebenan bekommt die Auswirkungen des Einschlags auch noch zu spüren. Für die Kosten der anstehenden Reparaturarbeiten an der Oyster (siehe Anhang) wird etwa der dreifache Wert unseres Kats veranschlagt…

Die Raffles Marina erfüllt unsere hochgesteckten Erwartungen, und um € 16 pro Tag nutzen wir ein Luxusresort mit thermalbadähnlicher Poollandschaft, Whirlpool, Fitness Raum, Bar, Restaurant und vielem mehr. Die automatische Klospülung und täglich ans Schiff ausgetragene Tageszeitungen erscheinen uns doch ein wenig überzogen, aber durch die Konkurrenz der – wie Pilze aus dem Boden schießenden – malaysischen Billigmarinas, liest das Personal den Seglern jeden Wunsch von den Augen ab, und den € 50 Voucher für das Restaurant nehmen wir wohlwollend an.

Den Aufenthalt in der multikulturellen „Löwenstadt“ (als Wahrzeichen Singapores gilt der Merlion – ein Fabelwesen mit einem Löwenkopf und einem Fischkörper) nutzen wir für Reparatur- und Wartungsarbeiten am Boot, darüber hinaus besichtigen wir natürlich als „normale“ Touristen die pulsierende Geschäftsstadt, in der die Zukunft offensichtlich schon begonnen hat. Der Stadtstaat präsentiert sich bereits weit im 21. Jahrhundert, viele Bereiche sind elektronisch gesteuert und laufen im Zeitraffer ab, Kameras scheinen allgegenwärtig, und die orwellsche Steuerung des Menschenstroms von 4,8 Millionen Einwohnern gibt doch sehr zu denken.
Schon die Benutzung der Schnellbahn MRT (Mass Rapid Transit) überfordert Wolfgangs Auffassungsgabe in der hypermodernen Metropole, und so trottet er – wie an einer unsichtbaren Leine – hinter Evi her, die das Stadtgeschehen offensichtlich besser im Griff zu haben scheint.
Während der Fahrten in der MRT sind wir meist die einzigen Kaukasier unter mehrheitlich Chinesen, sowie Malaien und Indern. Wir verspüren ein leicht beklemmendes Gefühl, Außenseiter zu sein und entwickeln plötzlich ein bis dato nicht bekanntes Einfühlungsvermögen für die mögliche Gefühlslage von Ausländern in Österreich. Tatsächlich kümmert sich aber kaum jemand um uns, da die meisten Fahrgäste sich die Zeit mit verschiedensten digitalen Spielen, Videos oder Musikclips auf winzigen Geräten vertreiben. Wolfgang erlebt jenen Tag, vor dem wohl vielen Menschen in gewisser Weise graut: Er bekommt einen Sitzplatz angeboten…

Diese „sauberste Stadt der Welt“ wird übrigens in sarkastischer Doppelbedeutung gerne als „the fine city“ bezeichnet, schon vergleichsweise geringe Vergehen können drakonische Strafen nach sich ziehen, und in keinem anderen Staat weltweit werden im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viele Todesurteile vollstreckt.

Im Rahmen einer eher nach Wolfgangs Zeitschema ablaufenden Flussfahrt durch das Stadtzentrum erkennen wir den deutschen Schauspieler Mario Adorf bei Dreharbeiten, anschließend flüchten wir uns in die eher vertraute Atmosphäre eines englischen Pubs, auf den Bildschirmen läuft eine Aufzeichnung aus der Premier League von Chelsea gegen Manchester United – auch in Singapore gibt es „Normalität“…

Die weihnachtlich dekorierte Orchard Road ist Singapores Einkaufsstraße schlechthin – beim Besuch der ein oder anderen Shopping Mall entsteht leicht der Eindruck, dass das Geld hier abgeschafft wurde. An den Exponaten der Superlative von Juwelier-, Uhren- oder Modedesignern prangen keine Preisschilder, wer hier eintritt, kauft was gefällt und fragt nicht nach den Preisen – wir lassen standesgemäß unsere Tewa – Sandalen bei einem fahrenden Schuster am Straßenrand reparieren…

Nach der Besichtigung China Towns und Little Indias, ist Sonntag der passende Tag, um der Ferieninsel Sentosa einen Besuch abzustatten. Innerhalb unseres dichten Sightseeing Programms durch den Freizeitpark verschaffen wir uns einen Überblick am Skytower, fahren Go Kart und absolvieren die Koordinationübung mit den wirklich ungewohnten Segways (Zweirad mit Elektromotor und Lenkstange, das stehend durch Verlagerung des Körpergewichts gesteuert wird) unfallfrei.

Wolfgang sucht im Zuge des Singapore – Aufenthaltes einen Dermatologen auf, findet sich im Gesundheitswesen des 21./22. Jahrhunderts nur schwer zurecht und hat am Ende des Tages weniger Hautprobleme als eher ein Nervenleiden…
Eine bei der Aufnahme zugewiesene Referenznummer begleitet ihn auf dem Weg durch das Skin Centre. Die digitalen Anzeigetafeln von 8 verschiedenen Behandlungsräumen rufen im ca. 15 Minuten Takt die entsprechende Nummer auf, als die man dann auch fließbandähnlich durchgereicht wird. Diagnose und Medikation wird an die Apotheke im Erdgeschoss des Gebäudes per Computer durchgegeben, wo man sie nach Erscheinen der entsprechenden Referenznummer abholt und zur Zahlstelle weitergeleitet wird. Nach etwa einer Stunde wird ein staunender Patient mit einem Päckchen Arzneien in den Shuttlebus zu den öffentlichen Verkehrmitteln „ausgespuckt“. Alle Angestellten inklusive Shuttlebusfahrer tragen Mundschutz, wodurch das ohnehin schwer verständliche, geflüsterte Englisch der Chinesen zur Farce wird – „Can you repeat, please“…

Am Weg durch Indonesien hat unser stets anfälliger Laptop endgültig seinen Dienst quittiert. Wir nutzen das gigantische Angebot dieses Shoppingparadieses für elektronische Geräte und erstehen nach tagelanger Sondierung ein Notebook und ein Netbook. Evi installiert in den folgenden vier Tagen sämtliche Programme auf die neuen Geräte und bekommt für die aufwendige Arbeit einen Platz in der noblen Lounge für Superyachten zur Verfügung gestellt. Nahezu ohne Fremdhilfe meistert sie Hürde um Hürde und vertieft sich in die rätselhafte Welt der Computer. Der Respekt der anderen Yachties ist ihr sicher – der des Computer-Analphabetens Wolfgang sowieso.

Wolfgang überwacht währenddessen das Service des elektrischen Autopiloten, die Reparatur des Kühlaggregats und den Aus- bzw. Einbau der Yamaha-Motoren. Nach den intensiven Motoreinsätzen durch Indonesien haben wir ein empfindlich teures 1000 Stunden Service in Auftrag gegeben, in dessen Rahmen die Maschinen komplett zerlegt werden.

Zwischen den Arbeiten entspannen wir uns im Whirlpool oder finden uns pünktlich zur Happy Hour in der Bar ein. Wolfgangs Besuch des Kraftraums führt zu einem Muskelkater und zum anschließenden Ausfall des Bewegungsapparates – Therapie Whirlpool… Die Sonne bekommen wir während unseres Singapore-Zwischenspiels kaum zu Gesicht – sie sollte längst wieder südlich von uns stehen – dafür regnet es täglich, und so wollen wir bald durch die Malacca Strait nach Norden unter den blauen Himmel Thailands.

Anmerkung: Oyster – britische Nobelwerft in Ipswich, die ohne Verkaufskampagne auskommt…

Die Straße von Malakka

Dieser Tage ist das Risiko eines Übergriffs, zumindest auf malaysischer Seite, denkbar gering; kennzeichnend für diese Wasserstraße sind aber – nach wie vor – Treibgut, besonders vor den Hafenstädten dichter Schiffsverkehr, häufige (nahezu tägliche) Gewitter und natürlich die Fischerboote, die selbst in markierten Fahrwassern ihre Netze ausgelegen.

Nachdem wir die Südwestspitze der malaysischen Halbinsel runden, sehen wir uns mit 1,5 Knoten Gegenstrom und ca. 15 Knoten Wind „auf die Nase“ konfrontiert und legen einen abwartenden Stopp in der Einfahrt zum Hafenstädtchen Kukup ein. Nach einiger Zeit funken wir ein vorbeifahrendes Segelboot an, um die Strömungsverhältnisse zu erfragen, und es meldet sich ein verblüffter Hans von der „Libertijn“, den wir schon aus Neuseeland und Fiji gut kennen. Der Entschluss mit der „Libertijn“ weiterzufahren, ist schnell gefasst, einzig der Backbordmotor lässt sich überraschenderweise nicht starten. Der Vorschlag von Hans, den Anlasser mit leichten Hammerschlägen zu „bearbeiten“, führt zum Erfolg, und wir beenden unsere erste Etappe gemeinsam bei der kleinen Insel Pisang.
Vor Nachtfahrten durch die Malacca Strait wird auf Grund der oben genannten „Stolpersteine“ abgeraten, und um die einzelnen Tagesetappen zu bewältigen, erfolgt die Tagwache üblicherweise vor dem Morgengrauen – offensichtlich auch die falsche Zeit für unsere Motoren, die beide (!) ihren Dienst verweigern. Wolfgang rudert den hilfsbereiten Hans zur „Sleipnir2“, überschätzt allerdings ein wenig seine Kräfte, und bei 2 Knoten Strömung artet der Morgensport in Schwerarbeit aus. Nach einiger Zeit und bei aufkommendem Tageslicht erweckt Hans die Maschinen wieder zum Leben, und wir können gemeinsam den Weg nach Norden fortsetzen.
Gleiches Spiel wiederholt sich am nächsten Ankerstopp, allerdings noch eine halbe Stunde früher am Morgen, dafür mit weniger Strömung… Am dritten Ankerplatz gelingt Wolfgang der Startversuch selbst durch die – inzwischen zur Routine gewordene – Behandlung des Starters mit dem Hammer, der über Nacht schon bereitliegt. Ein entsprechend geharnischtes – nur mit den notwendigsten formal üblichen Höflichkeitsfloskeln versehenes – Mail an den Yamaha Workshop in Singapore zeigt Wirkung, und in Port Dickson veranlasst man (von Singapore aus) eine weitere Wartung der Maschinen – diesmal gratis und Gott sei Dank nicht umsonst.

Wir nützen die Wartezeit auf die Reparatur der Außenborder und unternehmen einen zweitägigen Trip in Malaysiens Hauptstadt Kuala Lumpur. Besonders beeindruckend sind die imposanten Petronas Twin Towers, die Aussicht vom „nur“ 421 Meter hohen Menara Tower und natürlich auch das Angebot diverser lebender oder toter Tiere am Markt von Chinatown, der allen üblichen Klischees zu entsprechen scheint. Der Colonial District mit seinem Sultanspalast steht in einem angenehmen Gegensatz zu den vielen Wolkenkratzern des modernen Stadtteils, und für den Besuch der nahe gelegenen Masjid Jamek Moschee müssen wir uns natürlich den konservativen Bekleidungsvorschriften anpassen.

Zurück in Port Dickson erleben wir noch das ein oder andere kleine Drama beim Einbau der Motoren, schließlich entlädt Wolfgang die Anspannung der letzten Tage in einem weithin hörbaren Wutanfall gegen die Mechaniker, und Evi ist gefordert, die Atmosphäre zu kalmieren. Um verlorene Zeit gutzumachen, beschließen wir, direkt nach Langkawi zu segeln und fahren weiter auf die Meeresstraße hinaus entlang des Verkehrstrennungsgebietes, um zumindest den Fischereiflotten auszuweichen. In der zweiten Nachthälfte zwingen uns allerdings Seegang und Gegenwind zum Abbruch, und wir nehmen Kurs auf die Küste, um in einer Flussmündung Schutz zu suchen und bessere Bedingungen abzuwarten. Morgens um 08.00 Ortszeit, bei ca. 2 Meter hohen Wellen und etwa 20 Knoten Wind, verliert Wolfgang während einer an sich unwichtigen Arbeit am Heck das Gleichgewicht und kann sich gerade noch an der 5 cm hohen Holzleiste außenbords festklammern. Auch bei nur relativ geringer Fahrt durchs Wasser ist der Zug an den Beinen beachtlich, aber jahrelanges Training macht sich in diesem Moment bezahlt, und er kann sich aus eigener Kraft zurück an Bord ziehen. Unter Schock beklagt er zunächst nur die nasse Kleidung, erst am Abend geht der Vorfall richtig unter die Haut.
Ein „Über Bord Gehen“ gilt im Allgemeinen, insbesondere nachts, als Todesurteil und stellt ein absolutes „No-No“ dar. Beim vorherrschenden Seegang unter Windfahnensteuerung mit aufgeklappten Motoren hätte Evi wenig Chance gehabt, rechtzeitig ein entsprechendes Manöver zu fahren und Wolfgang gleichzeitig nicht aus den Augen zu verlieren – Fotos über diesen Nahezu – Unfall gibt es naturgemäß keine…

Mittags erreichen wir die Flussmündung, und während Wolfgang für das Ankermanöver Arbeitshandschuhe anzieht, spürt er einen harten Gegenstand am Finger: Durch das Überstreifen des Handschuhs zieht er sich regelrecht den – seit Monaten verloren geglaubten – Ehering wieder über den Ringfinger, der offensichtlich gut eingepasst im Fingerteil des Handschuhs die längste Zeit im Ankerkasten „verstaut“ war. Nach diesem etwas zu ereignisreichen Vormittag verkriechen wir uns in die Kojen, sehen in der „Ringgeschichte“ jedenfalls ein gutes Omen und hoffen auf bessere Bedingungen für die folgenden Tage.

Über Lumut fahren wir weiter nach Norden, um schließlich zwei Tage später in der Südbucht von Penang, die wir mit dem letzten Büchsenlicht erreichen, wieder einen wetterbedingten Notstopp einzulegen. Nach kurzer Zeit registrieren wir ungewohnte Schiffsbewegungen vor Anker und im Schein der Taschenlampe erkennen wir, dass unsere Ankerkette in einem Fischernetz gefangen ist. Am nächsten Morgen können wir uns – nach einigen ehrlich gemeinten und wohl auch fantasievollen Befreiungsversuchen – nur mit einem scharfen Messer befreien und versuchen trotz starker Headwinds zumindest die 15 Seemeilen in die Tanjong City Marina von Georgetown zu bewältigen. Kurz vor der bekannten Brücke über die Penang Strait übersehen wir ein quer über das markierte Fahrwasser gespanntes Fischernetz. Die Unterwassersicht entspricht etwa jener des Neusiedlersees, aber nach ein paar Tauchgängen können wir uns diesmal ohne Zerstörungswerk vom Netz befreien und genießen wenig später die Annehmlichkeiten der Marina umso mehr – zumindest am Beginn unseres Aufenthaltes.

Die Tanjong City Marina erweist sich als eine Fehlkonstruktion der besonderen Art. Über die halbe Länge der Schwimmstege fallen landseitig bei Niedrigwasser selbst Katamarane trocken. Die im Hafenbecken schwimmenden toten Ratten laden nicht unbedingt zum längeren Verweilen ein, wir bleiben dennoch einen weiteren Tag, um das Weltkulturerbe Georgetown mit seinem religiösen Mix aus Moscheen, Kirchen, hinduistischen und chinesisch–buddhistischen Tempeln zu bestaunen und natürlich um Wolfgangs 50sten Geburtstag vorzufeiern. Evi hat sich bereits in Neuseeland ausreichend mit Partyutensilien eingedeckt und zieht wirklich alle Register, um eine – dem Anlass entsprechende – Geburtstagsüberraschung für ihren ausgepowerten Skipper zu organisieren. Sie lädt Wolfgang in das beste Lokal der Stadt ein, und für einige Stunden vergessen wir unsere Mühen durch die Strasse von Malakka. Am nächsten Tag befinden wir uns wieder in der Realität bzw. vor der winzigen Insel P. Bidan, die uns als Schutz vor steilen Wellen und 25 Knoten Wind von vorne dient. Schließlich kommt aber segelbarer Wind auf, und wir erreichen endlich Langkawi, das – zumindest aus unserer Sicht – das Ende der Malacca Strait darstellt.

Hier treffen wir Kirsten und Joachim von der „Sappho“ und Erich von der „Tahaa“ wieder, feiern mit ihnen noch einmal Wolfgangs Geburtstag und erholen uns trotz Ausfalls der Solarmodule und kleiner Segelreparaturen an diesem angenehmen Ankerplatz. Wie viele andere Segler werden sowohl die „Sappho“ als auch die „Tahaa“ die Saison in Langkawi bleiben und nicht weiterziehen. Durch die adäquaten Serviceeinrichtungen für Yachten und die billigen Lebenserhaltungskosten ist diese nördlichste Insel Malaysiens ein Tummelplatz für Segelaussteiger – einige verbringen hier sogar Jahre. Nach 8 Tagen nehmen wir – zumindest von der „Sappho“ – endgültig Abschied (mehr als 20 gemeinsame Ankerplätze) und gehen Anker auf Kurs Thailand, der letzten Station vor den langen Etappen über den Indischen Ozean.

Thailand

Während der zweiten Nachthälfte ändert ein großer Fischkutter seine Richtung und geht auf Kollisionskurs mit „Sleipnir2“. Nur unter Motoreinsatz können wir einen Zusammenstoß verhindern, kurze Zeit später verschwinden seine Positionslichter in der achterlichen Kimm. Zu Annäherungen dieser Art kommt es meist aus Neugierde oder der Hoffnung auf ein Päckchen Zigaretten (wovon auch bei Nichtraucherschiffen stets ein Vorrat an Bord sein sollte), nicht selten werden solche Situationen als vermeintliche Piratenübergriffe interpretiert, und es wird nur allzu schnell zur Waffe gegriffen.

Wir erreichen das weiträumige Ankerfeld von Ao Chalong mit seinem weißen Leuchtturm im Süden Phukets am frühen Nachmittag und ankern unweit des österreichischen Katamarans „Ishani“, den wir zuletzt vor mehr als einem Jahr in Tonga getroffen haben. Bald ist die Crew Christoph, Anna und Leoni bei uns an Bord, und die zahlreichen Erlebnisse des abgelaufenen Jahres, die wir gegenseitig schon aus den Funknetzen kennen, werden noch mal „aus erster Hand“ geschildert.

Die „Ishani“ wurde in Flores/Indonesien von einem „herrenlosen“ Aluminium-Dinghy regelrecht torpediert, und der Schaden in Form eines notdürftig abgedichteten Riesenlecks knapp über der Wasserlinie des Backbordrumpfes spricht für sich…
Auch die schweizer Yachten „Chenoa“ und „Styrr“ liegen vor Anker und bieten an, unser Anlasserproblem unter die Lupe zu nehmen. Die beiden Skipper Hans-Jörg und Martin sind tatsächlich auf allen handwerklichen Gebieten firm – wie es eigentlich jeder Blauwassersegler sein sollte – und befreien uns schließlich von den Motorsorgen im Handumdrehen.

Vermutlich seit den Kanaren haben wir Massentourismus in dieser Form wie hier in Phuket nicht mehr erlebt: allerorts Bars, Restaurants, Diskotheken, Massagesalons in jeder Variante und natürlich die vielen wohlriechenden, bezaubernden Prinzessinnen Südostasiens – oft in Begleitung weitaus weniger attraktiver, teilweise tätowierter und meist adipöser Herren. Warum viele dieser Männer trotz feenhafter Begleitung mieselsüchtig und grimmig auftreten, bleibt wohl ein ungelöstes Rätsel – an den Preisen kann es kaum liegen.
Wenn Figur und Schritt der „Thaifrau“ zu perfekt scheinen, sollte man(n) einen zweiten Blick riskieren, die Gefahr den Reizen eines Ladymans zu erliegen, ist dann besonders gegeben – diesbezügliche peinliche Überraschungen werden wohl keine Seltenheit sein.

Der Schwell und das trübe, schmutzige Wasser der Ao Chalong Bucht lädt nicht zum längeren Verweilen ein, und wir verlegen uns in die idyllische Nai Harn Bay – Schauplatz der legendären Weihnachtsparty in der Ao Sane Beachbar, die sogar im „Lonely Planet“ Erwähnung findet. Das Weihnachtsfest mit Buffet, Live Musik, Feuerwerk und „Heißluftdrachen“ lässt tatsächlich keine Wünsche offen, und am Vormittag des Christtages ist es im Ankerfeld auffällig ruhig.

Christoph und Wolfgang besuchen am nächsten Tag eine Thaiboxveranstaltung – die in Polynesien übliche Aufforderung zur aktiven Teilnahme des Publikums (im Pazifik natürlich Tanzveranstaltungen) bleibt hier – Gott sei Dank – aus…

Wir beschließen letztlich in der angenehmen Atmosphäre der Nai Harn Bucht zu bleiben und organisieren unsere Besorgungen und Besichtigungstouren von hier aus via Moped. Obwohl Evi, im Gegensatz zu Wolfgang, im Besitz eines Motorradführerscheines ist, unternimmt Wolfgang ausgerechnet hier seine ersten „Gehversuche“ an dem von ihm bis dato aus Sicherheitsgründen gemiedenen Zweirades. Nachdem er den Vermieter zunächst fast „niederfährt“, präsentieren sich die thailändischen Straßen nicht gerade als Verkehrsgarten und geben wenig Zeit zum Eingewöhnen. Es dauert aber keinen Tag, bis Wolfgang die richtige Ellbogentechnik im Kreisverkehr und eine etwas dynamischere Innenlage in den Kurven der Küsterstraßen entwickelt, sodass Evi bald Zweifel hinsichtlich ihrer Entscheidung nicht selbst zu fahren aufkommen.
Unser Besichtigungsprogramm zum großen Buddha auf dem Hügel über der Bucht (inklusive Ritt am Dickhäuter), zum Chalong Tempel und zu den Buchten an der Westseite Phukets, bis zur berühmten, wirklich „lebhaften“ Sin City – Patong – spulen wir aber unfallfrei ab.

Eine Unzahl von verschiedenen, oft widersprüchlichen Theorien und Taktiken hinsichtlich der Weiterfahrt in das Rote Meer tragen zur Verwirrung innerhalb der Yachtgemeinschaft bei. Es formiert sich allerdings bereits hier ein Konvoi von Booten für den heiklen, etwa 600 nm langen Abschnitt zwischen Salalah/Oman und Aden/Jemen. Wie hoch der Sicherheitsaspekt dieses Unternehmens einzuschätzen ist, wird natürlich sehr unterschiedlich bewertet. Wir sind jedenfalls eingecheckt und mit einer steigenden Zahl von Booten in Verbindung, die ebenfalls eine Teilnahme fest eingeplant haben.

Das Gebiet zwischen Langkawi und Phuket ist Stammrevier zahlreicher Segelaussteiger, die hier gleichsam eine neue Heimat gefunden haben und saisonal zwischen Europa und Südostasien pendeln. Die meisten Crews, die Thailand bzw. Langkawi von Neuseeland oder Australien kommend erreichen, sind ausgepowert und liebäugeln gerne mit der günstigen Möglichkeit, hier eine einjährige Pause vom Langstreckensegeln zu nehmen. Am Neujahrstag liegen gleich 6 Yachten unter österreichischer Flagge in der Nai Harn Bay, und 3 weitere Boote befinden sich in der unmittelbaren Umgebung – so ist das Binnenland zumindest für kurze Zeit eine der stärksten Nationen im Revier.

Wir feiern Sylvester mit der „Ishani“ – Crew und Erich von der „Tahaa“, diskutieren beim Sundowner auf der „Golden Tilla“ mit Wolfgang und Ulli über die heimische Blauwasserszene und lassen uns von Gerhard und Elizabeth von der „Baloo“ einen Tag lang in die diversen Lokale der näheren Umgebung „entführen“.

Schließlich bekommen wir noch Besuch von Peter Herzog (einem ehemaligen Schüler Wolfgangs) und seiner Frau Ewelina, warten auf das Eintreffen unserer neuen Bankomatkarten, dann neigt sich der Aufenthalt in Thailand langsam dem Ende zu. Die „Sleipnir2“ – Crew hätte sich auch eine Auszeit von der Auszeit verdient, aber die Vorbereitungen für den 1100 nm Törn nach Sri Lanka sind abgeschlossen, und es gilt wieder Segel zu setzen.

Sri Lanka

Durch Flauten und ungünstige Strömungen bedingt verbrauchen wir unverhältnismäßig viel Treibstoff, aber die rasch aufschließende Yacht „Tuatara“ bietet über Funk zumindest 25 Liter Benzin an. Wir stimmen einen Treffpunkt auf See ab und übernehmen zwei Kanister Sprit, indem sich Wolfgang mit dem Dinghy an einer langen Trosse zur achterlich aufkommenden „Tuatara“ treiben lässt, während Evi „Sleipnir2“ auf Kurs hält. Der Buganker der 15 Meter langen, massiven neuseeländischen Yacht stampft bedrohlich über Wolfgangs Kopf, aber die Übergabe gelingt, und von diesem Zeitpunkt an haben wir natürlich auch wieder Wind…

Auf dieser Strecke betreibt Wolfgang erstmals ein kleines sechs bis acht Boote umfassendes Funknetz als Net Controller und macht seine Sache wirklich lausig. Im Laufe der Zeit findet er unter Evis Kritik allerdings die richtige Mischung aus Position Reports, Information und Small Talk. Zeit für Praxis bleibt genug, da wir trotz eines abschließenden 152 nm Etmals 11 Tage benötigen, bis „Sleipnir2“ vor dem Hafen von Galle ankert, um auf die Clearance der Navy zu warten. Das Prozedere des Einklarierens gestaltet sich aufwendig, und bis Immigration, Health Officer, Customs, Security und der zwingend vorgeschriebene Agent ihre Stempel und Unterschriften unter zahlreiche Formulare gesetzt haben, vergeht ein halber Tag – unsere tauben Ohren gegenüber den aufdringlichen Forderungen nach diversen hochprozentigen „Geschenken“ beschleunigen den Ablauf auch nicht gerade.

Der Wachturm am Wellenbrecher erinnert sehr an jene der einstigen Berliner Mauer, die Flakgeschütze im Hafen selbst sind 24 Stunden personell besetzt, und ein Heer von offensichtlich unterbeschäftigten Sicherheitskräften bevölkert das Gelände – kaum zu glauben, dass der Bürgerkrieg im Land seit Mai 2009 offiziell beendet ist. Immerhin hat man die nächtlichen Detonationen von Unterwassersprengkörpern in der Hafeneinfahrt eingestellt, die Attacken tauchender Tamil Tigers verhindern sollten, nachdem ein diesbezüglicher erfolgreicher Angriff der Widerstandsgruppe 2006 drei Segler getötet und zwölf andere verletzt hat. In Galle Harbour darf aber nach wie vor nur untertags eingefahren werden, und – wie bereits oben erwähnt – muss auf die Freigabe eines entgegenkommenden Militärbootes gewartet werden. Um das Hafenareal betreten oder verlassen zu dürfen, ist jedes Mal ein Passierschein am akribisch bewachten Schranken vorzuweisen – wir glauben einen Eindruck von der Beweglichkeit in Österreich während der Besatzungszeit zu bekommen.

Das schmutzige Wasser in Galle und die mühsame Verproviantierung sind allerdings nicht der Grund unseres Stopps in Sri Lanka, vielmehr planen wir neben einer Besichtigung des hiesigen Forts und der Moschee eine mehrtägige Tour zumindest durch den Südteil des seit 1972 von Indien unabhängigen Inselstaates.

Mit Jean und Alan von der „Tuatara“ – zwei Kiwis wie aus dem Bilderbuch – mieten wir einen Van mit Fahrer und verbringen den ersten Vormittag entlang der malerischen Südküste, bestaunen die hier typischen „Stickfishermen“, den Leuchtturm von Matara (mit seinem schwer erstiegenen Ausblick) und natürlich die farbenfrohen Proas der lokalen Fischereiflotte – den Besuch des weitläufigen Buddhatempels in Dickwella überlassen Alan und Wolfgang den Frauen.

Auch wenn die Elefanten und Wasserbüffel an den Flussläufen im Uda Walawe Nationalpark und der kaskadenartige Wasserfall im Hochland sehr beeindruckend sind, stellt sicherlich die Bahnfahrt durch die Teeplantagen bis auf eine Höhe von letztlich nahezu 2000 Metern über dem Meeresspiegel den Höhepunkt des Trips dar – erstmals seit Neuseeland fühlen wir uns leicht unterkühlt.

Die Besichtigung einer Teefabrik ist obligat, bevor wir am Ende des zweiten Tages den Touristenort Kandy erreichen und abends noch die vielfältigeTanzveranstaltung des Kandy Lake Club Dance Ensembles besuchen. In Kandy steht eine der wichtigsten heiligen Stätten des Buddhismus, der sogenannte „Zahntempel“, der einen orginalen Zahn des Religionsgründers in einer Pagode bewahrt. Nach der Anzahl weiterer Tempel mit Zähnen Buddhas zu schließen, muss der ehemalige Prinz Siddhartha über ein bemerkenswertes Gebiss verfügt haben…

Nach kurzen Stopps bei verschiedenen Gemüse- und Obstmärkten treten wir am dritten Tag die lange „Heimfahrt“ an. Mehrfach müssen wir unseren allzu sportiven Fahrer zügeln – dass weder wir noch andere Teilnehmer im wirklich chaotischen Verkehr zu Schaden kommen, bleibt ein Wunder.

Im Hafen zurück erleben wir ein Wunder anderer Art. Zwischenzeitlich hat sich das Feld der Yachten verdichtet, und der Riesenkat „Neverland“ (20 Meter lang – 10 Meter breit) liegt raumgreifend über unseren beiden Ankern. Die Mannschaft um Profiskipper Alvin – wir kennen ihn aus Neuseeland – ist laut Auskunft der Ankernachbarn für die nächsten drei Wochen nach Deutschland geflogen, wir bekommen aber Hilfe angeboten, um uns am nächsten Tag aus der „Falle“ zu befreien. „Bibelautor“ Rod Heikell ist seit den 70er Jahren ein Fixstern in der Yachtszene, Jean und Alan besitzen seit 30 Jahren Segelschiffe (die „Tuatara“ ist ihr 9. Boot) und Trudy und Geoff von der „Stream Spirits“ wissen auch, was zu tun ist. Aus der Sicht des verschlafen aus der Kabine torkelnden Alvins wird rund um seinen Kat allerdings dilettantisch agiert, wobei er selbst nicht bereit ist, Ankerkette einzuziehen oder an seinen Heckleinen mitzuarbeiten. Während wir letztlich erfolgreich unsere Anker aufholen und im freien Hafenwasser neu ankern, hält Alvin Exkurse über Ankersituationen in der Nordsee…? Der an sich erfahrene Profiskipper sieht in der Wahl seines Liegeplatzes keinen Kritikpunkt und schlägt im offensichtlichen Versuch sein Gesicht zu wahren verbal schwer nachvollziehbar und etwas grotesk um sich.

Der Abschied von Galle/Sri Lanka fällt daher umso leichter, und 450 nm weiter im Westen warten ohnehin die traumhaften Atolle der Malediven.